Vergiss die Konkurrenz!
Ganz ehrlich: Ich war eine dieser Frauen, die andere Frauen nur als Konkurrenz kannte. Heute wird mir schlecht, wenn ich daran denke. Wie es dazu kam und wie ich heute darüber denke beschreibe ich hier.
Bei meiner allerersten deutschsprachigen Poetry Slam-Meisterschaft wurde in mein Hostel-Zimmer prompt eine Slammerin einquartiert, die ich nicht ausstehen konnte. Sie war damals relativ neu in der Szene und die Freundin eines befreundeten Slammers. Sie war laut, zappelig und energisch – genau wie ich.
Warum ich sie nicht ausstehen konnte, kann ich bis heute nicht begründen. Wahrscheinlich weil es gar keinen Grund gab, sondern nur die Wahrheit, und die war wirklich scheiße: Ich sah sie als Konkurrentin. Ich hatte das Gefühl, neben ihr zu verblassen. All die Aufmerksamkeit der größtenteils männlichen Slammer um uns herum galt ihr. Sie wurde von allen ausgefragt und war sich nie zu schade, diese Bühne auch zu nutzen. Ich war neidisch. Ich fühlte mich bedroht. Ich wollte besser sein. Besser worin, mag man sich fragen. Nun, so jämmerlich es klingt, ich wollte einfach beliebter sein – vor allem bei den Männern.
Die hübschesten Mädchen bekommen die coolen Jungs?
Ich bin nicht mit übermäßig präsenten Rollenbildern aufgewachsen. Mir wurde in meiner Kindheit und Jugend nie direkt gesagt, ich könne irgendetwas nicht, weil ich ein Mädchen bin.
Aber mir wurde gezeigt, wie die Welt für Frauen funktioniert – in der Schule, in der Öffentlichkeit, im Umgang mit mir. Mir wurde beigebracht, dass ich viel cooler bin, wenn ich mit Jungs zusammen bin. Weil Jungs cool sind und Mädchen hübsch. Die hübschesten Mädchen sind dann die, die mit den coolsten Jungs zusammen sein dürfen – und dann sind sie auch bei den anderen Mädchen angesagt. Coole Jungs und hübsche Mädchen sind die Könige der Welt (ja, Könige! Die potentiellen Königinnen spielen in dieser Konstellation ja eine rein dekorative Rolle). Das habe ich aus all den Bravo Love Storys und Teeniefilmen mitgenommen und habe es so gelebt.
Die Gunst des Mannes wird über die Verschwesterung gestellt
Andere Frauen in erster Linie als Konkurrenz zu sehen ist eines der vielen Symptome einer übersexualisierten, patriarchischen Gesellschaft. Ich bin Frauen lange Zeit anders begegnet als Männern – negativ, skeptisch, argwöhnisch. Männern hingegen wollte ich in erster Linie gefallen, egal, ob sie mir auch gefielen oder nicht. Von dieser Erkenntnis wird mir gerade ein bisschen schlecht. Ich hoffe sehr, dass ich eine Ausnahme bin und dass junge Frauen heute ein anderes Verständnis von Selbstbestimmung haben als ich damals. Es darf nicht mehr passieren, dass sich Frauen untereinander nicht solidarisieren, weil sie die Gunst der Männer über ihr eigenes Wohl stellen!
Aussagen wie „Ich häng lieber mit Männern ab“ oder „Männer sind einfach so viel unkomplizierter als Frauen“ reproduzieren ein minderwertiges Frauenbild. Solche Sätze bedeuten eigentlich nur, dass man das entwertende Frauenbild der Gesellschaft internalisiert hat. Sie bedeuten, dass man noch nicht damit begonnen hat, Menschen anstelle von Rollenbildern zu sehen.
Andere Frauen sind Mitstreiterinnen – keine Konkurrenz!
Die Slammerin, mit der ich damals die Meisterschaften im selben Zimmer verbrachte, wurde zu einer meiner besten Freundinnen. Das wäre nie passiert, wenn mich der Zufall nicht gezwungen hätte, mich mit ihr und dadurch auch mit mir selbst auseinander zu setzten. Es ist an der Zeit, dass wir andere Frauen als Mitstreiterinnen begreifen und nicht als Konkurrenz. Es ist an der Zeit, dass wir dem Frauenhass, den uns die Gesellschaft beigebracht hat, Einhalt gebieten. Es ist an der Zeit, Charaktere und Seelen vor Geschlechter und Rollen zu stellen.
Ich verspreche euch, wir werden es nicht bereuen!