Über gute und schlechte Veranstaltende
Ich bin seit 2006 Poetry-Slammerin, seit 2010 Veranstalterin in München. Gefühlt tausende Slams im deutschsprachigen Raum habe ich schon besucht. Deshalb fühl‘ ich mich auch dazu berechtigt, zu behaupten, dass es zwischen weiblichen und männlichen Veranstalter_innen keine Unterschiede gibt. Für manche mag das provokant sein, aber ich bin überzeugt, man kann lediglich zwischen guten und schlechten Veranstalter_innen unterscheiden. Geschlechterabhängige Unterschiede gibt es nicht!
Veranstaltende Frauen sind allerdings unterrepräsentiert, vielleicht, weil zu viele denken, dass es für sie besondere Schwierigkeiten in der Organisation und Durchführung gibt. Deshalb möchte ich diesen Artikel nutzen, Frauen die Angst zu nehmen und einen Eindruck vermitteln, was nötig ist, um eine gute Veranstalterin zu sein.
Respect the local scene!
Das wichtigste überhaupt: Sprich dich mit lokalen Slammaster_innen, die vor Ort schon veranstalten, ab! Vielleicht entsteht so eine Tour für Eingeladene, aber vor allem eine gute Zusammenarbeit. Das Wort Slamily sollte nicht nur ein Wort sein.
Manche Städte sind inzwischen mit Slams, Lesebühnen und Sonderveranstaltungen gesättigt. Um sich gegenseitig nicht das Publikum weg zu nehmen um einen erfolgreichen Slam zu starten, sollte man sich im Vorhinein genau anschauen, welches Slamangebot es bereits gibt und wo Lücken sind. Vielleicht fehlt es ja noch am schnuckeligen Bar-Slam, auf dem sich Locals ausprobieren? Oder doch ein U20 Slam im Stadttheater?
Locations und Förderungen gibt es viele – du und dein Konzept seid einzigartig!
Seid immer selbstbewusst, wenn ihr mit Locations verhandelt! Sie profitieren von euch. Ihr macht ihnen das Haus voll- die Leute essen, trinken und bescheren einen guten Umsatz. Im Zweifel findet ihr auch andere, die den Slam mit euch machen wollen. Behaltet das im Hinterkopf.
Außerdem gibt es in jeder Stadt sicherlich einen Kulturfördertopf, den ihr anzapfen könnt! Meistens stellt die Stadt einen Fördergeldantrag online zur Verfügung, den ihr einfach ausfüllen und abschicken könnt. Bei eurer Wortgewalt sollte die Stadt ganz schnell überzeugt sein!
Dass jede gute Veranstaltung von einem durchdachten Werbekonzept inklusive Facebook, Newsletter, Flyer (etc…) lebt, brauch ich euch nicht zu erzählen. Kommen wir lieber zu den interessanten Dingen….
Wen lade ich ein? Worauf muss ich dabei achten?
Einladen macht natürlich nur Spaß, wenn die Leute auch Zeit haben. Vor allem bei Local Slams kann es passieren, dass auf einmal alle etwas Anderes vorhaben. Daher rechtzeitig einladen, sonst muss man voller Panik den Poet_innen hinterher rennen! Ein ungutes Gefühl. Wollt ihr Slammer_innen von weiter weg einladen, dann versteht sich das von selbst. Die Terminkalender sind erfahrungsgemäß sehr voll! Wenn ihr eine offene Liste habt dann ist es gut, wenn trotzdem vorher schon drei bis vier Slammer_innen feststehen.
Um einen guten Slam zu veranstalten, sollte das Line-Up ausgewogen sein. Das bedeutet, dass im Idealfall das Verhältnis von Poetinnen und Poeten, von Storyteller_innen und Lyriker_innen ausgeglichen sein sollte. Das sowas nicht immer funktioniert ist klar! Hier liegt der Hund begraben! Veranstalter_innen die das nicht verstehen, sind keine guten Veranstalter_innen.
Poetry Slam ist eben nicht nur lustig, nicht nur nachdenklich, nicht nur weiblich, nicht nur männlich, alt oder jung, sondern der Anspruch den Poetry Slam hat, ist es, ALLES sein zu können. Nur so hat das ernste Gedicht eine Chance, nur so wird das Publikum nicht mehr zwischen Mann („jetzt kommt bestimmt etwas Lustiges“) und Frau („jetzt kommt bestimmt Lyrik“) unterscheiden. Nur so ist jeder Poet und jede Poetin eine Wundertüte für das Publikum. Also zeig ihnen was Slam kann!
An dieser Stelle würde ich gerne für zahlreiche Slamveranstalter die Fahne hochhalten. Denn ich weiß, dass es viele männliche Veranstalter gibt, denen das genauso wichtig ist wie mir. Nicht zuletzt ist häufig mein männlicher Kollege Ko Bylanzky derjenige, der mich freundlich darauf hinweist, dass wir mindestens noch zwei Frauen für das Line-Up brauchen. Dann heißt es wieder rennen! Schrecklich.
Ein gutes Bett macht gute Laune!
Bei ausgewogenen Line-Ups kann man schon einmal vor der „Schlafplatzproblematik“ stehen.
Liebe Slamveranstalter_innen, grundsätzlich ist es kein Problem, dass Poeten und Poetinnen sich ein Zimmer teilen. Aber nur grundsätzlich. Nämlich dann, wenn man weiß, dass die beiden sich kennen und gut miteinander auskommen! Ansonsten immer fragen, ob es damit Probleme gibt und bitte dann immer besonders sensibel sein, wenn es um U20er geht, die noch nicht viel unterwegs waren. Reichen die Schlafplätze nicht aus, dann muss man halt in den sauren Apfel beißen und eine Frau oder einen Mann mehr/weniger einladen.
Solltet ihr als Veranstalter_innen die Poet_innen bei euch zu Hause, möglicherweise in eurem Zimmer, unterbringen müssen, dann gibt es ganz klar eine Prämisse: Ladet nur Menschen ein, die ihr auch persönlich mögt! Es macht überhaupt keinen Sinn, sich unwohl zu fühlen. Genauso solltet ihr auch den eingeladenen Menschen darauf hinweisen, wie seine Unterbringung wäre, um somit zu vermeiden, dass sich dein Gast unwohl fühlt.
Teilt wertschätzende Worte, Brot, Saft und Spaß!
Solltet ihr den Slam selbst moderieren, sollte nicht unerwähnt bleiben, dass Floskeln wie „Und jetzt kommen wir zum einzigen Poet/ zur einzigen Poetin“ ein No-Go ist. Attribute sollen nicht auf das Geschlecht reduziert werden. Im Zweifel sollte es bitteschön so sein, dass jede auftretende Person besonders hübsch, besonders toll oder besonders attraktiv ist. Wir Frauen wissen schon längst, dass diese Attribute auch auf Männer zutreffen!
Ansonsten bleibt mir nur noch zu sagen: Bitte, bitte, gebt den Poet_innen Essen und Trinken, so dass es ihnen an nichts fehle. Und bitte, bitte habt Spaß an dem, was ihr macht. Einen Slam zu veranstalten bedeutet neue verrückt-kreative Menschen kennen zu lernen, tolle Texte zu hören… einfach mal steil zu gehen und Poetry Slam die Welt sein zu lassen.