17. April 2017

Wie wird man eigentlich 1 gute Moderatorin?

Moderieren kann man überall – im Fernsehen, im Radio, im Freund*innenkreis, im einsamen Wohnzimmer oder eben auf einer Poetry-Slam-Bühne. Wie genau man letzteres besonders gut macht und worauf man achten sollte, um allen Beteiligten einen schönen Abend zu bescheren, erzählt euch heute Moderatorin und Poetry Slammerin Ninia LaGrande.

 

1. Du bist nicht der Star des Abends.

Das ist hart, aber die Wahrheit. Mach dir bewusst, dass die Leute nicht ausschließlich dich sehen wollen. Du bist zwar hauptverantwortlich dafür, dass der Abend schön und rund wird, aber nicht du bist die Hauptperson, sondern deine Gäste. Deshalb muss man die eigene Präsenz auf der Bühne auch nicht unnötig in die Länge ziehen – auch wenn man kurz vorher noch im Spiegel festgestellt hat, wie fabulous man eigentlich schon wieder aussieht!

 

2. Die Bühne ist dein Wohnzimmer.

Bei den Slammer*innen kann es durchaus sympathisch sein, wenn durchschimmert, dass sie unfassbar nervös sind und diese Bühne mit diesem Publikum ihnen sehr groß und wuchtig erscheint. Bei dir nicht. Die Bühne sollte deine beste Freundin sein – oder eben dein Wohnzimmer. Als hättest du das Publikum zu dir nach Hause eingeladen. Nur, dass sie am Eingang die Schuhe nicht ausziehen mussten.

 

3. Sprich mit dem Publikum.

Auch, wenn es manchmal so wirkt: Vor dir sitzen nicht bloß unbeteiligte nasse Säcke, die nicht wissen, was sie hier eigentlich tun. Meist hat das Publikum großen Bock auf dich und deine Veranstaltung. Auch, weil es viel Geld bezahlt hat. Eine Beziehung zum Publikum aufzubauen ist Übungssache. Du kannst deine eigene Rolle als Moderatorin selbst entwickeln. Bist du eher die Obersympathin, die sich mit allen gut versteht und das Publikum durchgehend animiert und lobt? Oder die Sarkastische, die das Publikum gerne mal herausfordert und beleidigt? Oder die abgedrehte Rampensau, die einen Witz nach dem anderen reißt? Alles kann funktionieren – wenn du dich wohl damit fühlst. Aber: Wer sonst im Leben free hugs verteilt, sollte auf der Bühne vielleicht nicht das totale Gegenteil zu spielen versuchen – das ist nicht authentisch.

 

4. Such dir Vorbilder.

Wenn du bis jetzt kein totales Eremitinnen-Leben geführt hast, hattest du vielleicht schon mehrmals die Möglichkeit, andere beim Moderieren zu beobachten. Sei aufmerksam! Schau dir an, was dir an anderen Moderationsstilen besonders gut oder gar nicht gefällt. Frag Moderator*innen, die du toll findest nach Tipps und Tricks. Aber aufgepasst: Bleib trotzdem bei deinem eigenen Stil. Sich Kleinigkeiten abzugucken, kann sehr hilfreich sein. Jemanden aber komplett kopieren zu wollen, geht in jedem Fall nach hinten los (das gilt auch ganz generell für’s Leben).

 

5. Sei die Schweiz.

Neutralität ist das A und O beim Moderieren. Ich weiß, wie schwer das manchmal sein kann. Unter den Menschen, die ihr anmoderieren sollt, ist möglicherweise euer Best Buddy, die toughste Frau weit und breit oder der Mensch, mit dem ihr letztens erst wild geknutscht habt – wurscht! Diese Person wird genauso neutral anmoderiert wie alle anderen. Gleiches gilt natürlich auch für Menschen, die eben noch einen sexistischen Witz im Backstage zum Besten gegeben oder vor kurzem einen stinkenden Döner mit in euer gemeinsames Hotelzimmer gebracht haben. Das sind Dinge, die ihr privat unbedingt klären solltet – aber nicht auf einer Bühne und erst recht nicht vor Publikum. Selbstverständlich ist, dass ihr beim Anmoderieren weder betonen solltet, wie hübsch das Unterhemd des jeweiligen Slammers ist, dass die Slammerin mal wieder die einzige Frau im Line Up ist noch dass der nächste Teilnehmer schon dreimal einen goldenen Blumentopf gewonnen hat. Denkt immer an den Wettbewerb: Ihr seid dafür verantwortlich, dass das Publikum den Slammer*innen völlig unvoreingenommen gegenübersitzt.

 

6. Sprich mit den Slammer*innen.

Es mag überraschend klingen, aber meistens kann man im direkten Gespräch am besten klären, wie die Slammer*innen gerne angekündigt werden wollen. Wenn du schon länger moderierst oder alle Teilnehmer*innen schon kennst, kannst du diesen Punkt überspringen (hint: Miteinander sprechen macht oft trotzdem Spaß!). Solltest du dir aber bei einigen Teilnehmer*innen noch unsicher sein, wie ihr Name ausgesprochen wird, woher sie kommen, ob sie es cool finden, seit drei Jahrzehnten mit demselben Witz angekündigt zu werden, dann ist Nachfragen ein einfaches Mittel, Unsicherheiten zu klären.

 

7. Be the Moderatorin you want to see in the world.

 Um eine gute Moderatorin zu werden, musst du dich selbst schon ein bisschen geil finden. Das ist ok und absolut erlaubt! Gleichzeitig kannst du ehrlich zu dir sein und in den Moderationspausen immer mal wieder überlegen: „Schatz, wie war ich?“ Habe ich mich eben auf der Bühne wohl gefühlt? War meine Moderation angemessen? Wie hat das Publikum reagiert? Stell dir vor, du sitzt im Publikum und beobachtest dich selbst auf der Bühne. Fändest du als Zuschauerin, das was da gerade auf der Bühne passiert gut? Dann: Juhu! Alles richtiggemacht! Da du als Moderatorin im Regelfall aber selbstkritische Künstlerin bist, wird dir immer irgendetwas einfallen, dass du nicht gut gemacht haben könntest. Auch das ist normal. Meistens ist es nicht so schlimm, wie du es gerade empfindest. Meistens ist es eigentlich gar nicht schlimm. Durchatmen, weitermachen und mit ein bisschen Abstand noch einmal an den angeblichen Fehler zurückdenken. Dann kannst du dir immer noch überlegen, welche Kleinigkeit du dir vornimmst, die du beim nächsten Mal anders machen kannst. Wichtig ist nämlich: Nicht alles klappt von heute auf morgen. Immer wieder kleine Schritte verändern.

 

8. Schnaps ist cool, aber erst im Anschluss.

Die meisten Menschen trinken keinen Alkohol, bevor sie morgens ins Büro gehen. Wenn sie es tun, haben sie im Regelfall ein Problem. Die Bühne ist dein Büro. Das, was du da tust, ist Arbeit – auch wenn es dir Spaß macht und Arbeit in Deutschland eigentlich keinen Spaß machen darf. Selbstverständlich bestimmst du über deinen Alkohol- und Drogenkonsum selbst. Da ich aber die Autorin dieser Tipps bin, werde ich an diesem Punkt dogmatisch: Keine Rauschmittel bevor der Moderationsjob erledigt ist. Es gibt kaum etwas Schlimmeres als im Publikum zu sitzen und beobachten zu müssen, wie fahrig und durcheinander die Moderationsperson auf der Bühne ist. Das ist weder lustig (auch, wenn es euch so vorkommt) noch cool. Es ist leider einfach nur traurig. So. Jetzt habe ich einmal die Oberlehrerin gespielt. Was ihr draus macht, ist eure Sache.

 

9. Hol dir Feedback. Aber nicht von allen.

Sich selbst zu beurteilen, ist schön und gut (siehe Punkt 7). Oft können Außenstehende einer aber noch viel besser sagen, wie sie ihren Job gerade erledigt hat. Sucht euch Personen, denen ihr vertraut und bei denen ihr es aushalten könnt, wenn sie euch sagen: „Heute Abend warst du richtig scheiße.“ (Vielleicht formulieren sie es pädagogisch ein bisschen wertvoller als ich.) Genauso können und sollten diese Personen euch natürlich in den Himmel loben, wenn ihr mal richtig gut gewesen seid oder an euch zweifelt. Gleichzeitig musst du dir ungewolltes Feedback von Personen, die du selbst nicht für den*die beste Moderator*in hältst, nicht zu Herzen nehmen. Anhören und dann entscheiden, ob es in die Konstruktiv-Schublade kommt oder gleich wieder rausfliegt aus dem Kopf.

 

10. Hab Spaß!

 Moderieren ist einer der geilsten Jobs der Welt. Finde zumindest ich! Du hast eine Bühne für dich allein, du hast den roten Faden des Abends in der Hand, du darfst das Publikum ungestraft beleidigen – es gibt kaum etwas Besseres! Freu dich, dass du das Privileg hast, diesen Quatsch zu machen. Dann strahlst du diese Freude auf der Bühne nämlich auch aus und das Publikum hat mindestens so viel Spaß wie du.