15. Mai 2017

„Ein kleiner Tipp…“

Egal wie oft du schon aufgetreten bist – eine Textpremiere bleibt wohl immer aufregend. Nervig allerdings wird’s, wenn es gleich nach einem schweißtreibenden Auftritt  Verbesserungsvorschläge hagelt. Kleine, natürlich immer totaaal gut gemeinte Tipps… häufig von Männern. Warum? Nhi Le hat darüber geschrieben.

 

Textpremiere: Ein bisschen aufgeregt ist man schon, denn schließlich performed man diesen Text heute zum allerersten Mal. Vielleicht lag er monatelang in der Schublade, weil er irgendwie nie für gut genug befunden wurde. Vielleicht wurde er auch in einem Rutsch am Schreibtisch fertiggeschrieben. Ganz egal, heute soll das Ding dem Publikum präsentiert werden. Bereit? Na klar, denn Fakt ist, dass ein Text nie einfach so hingerotzt wird. Vor jedem Auftritt steht nämlich die Idee, das Schreiben, das Üben, das Korrigieren. Erst wenn man zufrieden ist, geht man damit an die Öffentlichkeit.

 

Ungefragtes Feedback

Umso frustrierender, wenn du nach einem Auftritt die Bühne verlässt und aus heiterem Himmel ungefragtes Feedback bekommst. Meist sind es Typen, die meinen, mit Verbesserungsvorschlägen in die Flirt-Offensive gehen zu können, oder selbsternannte Slam-Experten, die herablassend erzählen, dass du irgendein Wort nicht richtig ausgesprochen hast und deine Hände zur Betonung ja auch ein bisschen besser hättest einsetzen können.

Meine Erfahrung mit diesen Erklärern hat gezeigt, dass Typen dir „Feedback“ geben wollen, da sie davon ausgehen, es „besser zu wissen“. Sie mansplainen mir, was an meinem Vortrag oder/und dem Inhalt ihrer Meinung nach nicht ausreichend war. Oftmals greift das Prinzip des erklärenden älteren Mannes, der mir jungem Hüpfer etwas von seinen Erfahrungen mitgeben will. Dass eigene Erfahrungen der Stoff der Texte sind, scheint nicht von Bedeutung. Im Gegenteil kam es sogar schon vor, dass meine angesprochenen Erfahrungen infrage gestellt wurden, weil sie nicht mit der Vorstellung des Zuhörers konformgingen.

Hier zeigte sich, dass die Nichterfüllung der Erwartungen an meinen Text oder die Performance so auf den Magen schlug, dass man sich selbstverständlich bei der Künstlerin beschweren musste. Zugeben würde es niemand, aber hinter dem harmlosen „kleinen Tipp“ steckt Bevormundung – und eine gehörige Portion, wenn nicht gar ein übersteigertes Selbstbewusstsein. Dass eine Frau, die vor Publikum etwa sechs Minuten lang über ein Thema spricht, das sie bewegt, über genügend Selbstsicherheit verfügt und dazu noch sich selbst reflektieren kann? Sei’s drum.

 

Der kleine, feine Unterschied

„Ich hab es ja nur gut gemeint“ wird dann gesäuselt – und „Ich hab aber nicht gefragt“ erscheint mir als die einzig richtige Antwort. Es besteht nämlich ein Unterschied darin, ob ich jemanden bitte, den Auftritt genau unter die Lupe zu nehmen, um mit dem anschließenden Feedback selbst noch ein bisschen am Text oder Auftreten zu feilen, oder ob mir ein Typ, sei es nun ein Zuschauer oder ein Kollege, ohne jegliche Aufforderung erzählt, was jetzt nicht so gut oder gar falsch war und unbedingt noch verbessert werden müsste. Austausch ist maßgeblich, um sich weiterzuentwickeln. Er ist aber nur dann förderlich, wenn alle Beteiligten daran interessiert sind und man sich auf Augenhöhe begegnet.