10. Juli 2017

Du bist es wert, dass wir uns um dich kümmern!

Es ist mir als Veranstalterin total wichtig, vielfältig zu buchen und möglichst breitgefächert zu motivieren. Ich will die lauten und die leisen Stimmen auf der Slam-Bühne, ich will Lyrik, ich will Prosa, ich will Lachen UND Gänsehaut. Im Idealfall will ich Menschen auf der Bühne, die beides können. Ich will möglichst wenige Slams mit keiner oder einer einzigen Frau im Line-Up, ich will Slammer_innen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Herkunft. Im letzten Jahrzehnt Szenearbeit haben wir uns einen kleinen Maßnahmenkatalog erarbeitet, um zu verdeutlichen, was „Förderung“ bedeutet:

 

Wertschätzend und neutral moderieren

„Es kommt für euch auf die Bühne…“ ist so viel eleganter als „Die einzige Frau heute Abend ist die charmante XYZ.“
Das betrifft auch die Witze, die wir alle so gern machen: Witzig sein heißt bitte nicht, Witze auf Kosten von jemandem zu machen. (Korrupte Polit-Figuren ausgenommen.)

 

Beim Booking auf Vielfalt setzen

Der Abend ist für alle besser, wenn möglichst viele unterschiedliche Stimmen aufeinandertreffen. Das ist relativ leicht zu erreichen, wenn man nicht immer nur auf die bekanntesten und zugkräftigsten Namen setzt, sondern mutig bucht. Vielleicht auch mal eine Chance gibt, sich auf einer größeren Bühne auszuprobieren. Wichtig ist, wenn’s mal schiefgeht, auch eine zweite oder dritte Chance zu geben. Wir alle lernen. Wir alle wachsen.

 

Die Bühne / das Haus wechseln

Wir alle haben unsere Stamm-Locations und unsere Home-Slams. Aber unterschiedliche Bühnen bringen unterschiedliches Publikum. Das bringt oftmals sehr überraschende Ergebnisse und vielleicht den einen Abend, den ein_e Slammer_in gebraucht hat, um weiterzumachen.

 

Feministische Workshops und Slams

Immer wieder organisiere ich Workshops und Poetry Slams, die sich thematisch mit Feminismus auseinandersetzen. Feministische Initiativen sind oft dankbar für eine gescheite und unterhaltsame Veranstaltung. Gleichzeitig: Sinnvoll ist das nur, wenn die Auftretenden zu den regelmäßigen Veranstaltungen ebenfalls eingeladen werden. Und nicht einfach nur so: Die dürfen eh kommen. Nein! Email-Adressen aufschreiben, eine persönliche Mail schreiben, vielleicht auch mal auf einen Kaffee gehen!
Einen feministischen Slam zu veranstalten heißt übrigens nicht, einfach einen Slam zu machen, bei dem nur Frauen* auftreten. Nö, es bedeutet, Texte auf die Bühne zu bringen, die neutral oder überraschend mit Sprache und Rollenbildern umgehen. Queere Auftrittsstrategien sichtbar zu machen. Etc.

 

Kontakthalten, Nachfragen

Dir ist bei einem Slam jemand aufgefallen, den_die du toll gefunden hast? Frag nach! Ich mach das auch! Wann kommst du wieder? Kennst du den Slam schon? Bist du dort schon aufgetreten? Wie geht es dir mit dem Schreiben? Verschickst du deine Texte? Bist du aktiv? Hast du grad eine Schreibkrise? Was läuft bei dir grad so?

 

Netzwerken und Weiterempfehlen

Leute, die ich gut finde, empfehle ich weiter. Übrigens: Auch sehr gezielt außerhalb der Slam-Szene. Für Workshops, Schreibaufträge, Lesungen. Auch der Literaturbetrieb steht uns offen, wenn wir die Tür suchen und durch sie hindurchgehen.

 

Mir wird nicht langweilig!

Übrigens, diese ganzen Aspekte der ermutigenden Szene-Arbeit mache ich in meiner Freizeit, unbezahlt und ohne, dass ich etwas davon habe. Warum? Weil ich begeistert bin, immer wieder und immer noch, von einigem was auf unseren Bühnen passiert. Und weil ich will, dass das so bleibt. Wenn ich also Szenearbeit und Liebe investiere, dann mache ich das, damit mir in den nächsten 15 Jahren nicht langweilig wird, wenn ich auf einen Poetry Slam gehe.

Denn es bringt etwas. Es gibt in Österreich überdurchschnittlich viele sich feministisch oder für die Vielfalt engagierende Slam-MCs. Auf vielen österreichischen Slambühnen der ersten Welle (textstrom Wien, BPS Slam Innsbruck, kultum Slam Graz) wird auf der Bühne bei der Ankündigung gegendert, wir haben immer versucht, die auftretenden Frauen zu fördern und zu ermutigen.

Das Resultat: Bei 10 Ö-Slams gab es bisher 2 Siegerinnen: Yasmin Hafedh und Lisa Eckhart. Bei der Wien-NÖ Meisterschaft traten 2016 Jahr mehr Slammerinnen als Slammer an, um der Vorjahressiegerin Alice Reichmann den Titel aus der Hand zu nehmen. Auf den Slam-Bühnen des Landes bin ich so gut wie nie die einzige Frau im Line-Up.

 

Warum ist das überhaupt noch nötig – Exkurs am Ende

Seit ca. 13 Jahren veranstalte ich regelmäßig Poetry Slams in Österreich. Gar nicht selten bekomme ich motivierte Mails von Leuten, die gerne bei uns auftreten wollen. Sehr gut. In den Fällen, von denen ich erzählen will, habe ich noch nicht von ihnen gehört, denn sie sind jung, hungrig und neu dabei. Immer noch sehr gut. Sie wollen auf meiner Couch schlafen, Fahrtkosten bekommen, beim Frühstück von sich selbst erzählen und gerne auch eine Gage. Immer noch gut. 99,5% dieser Mails ist von Jungs. Nicht gut.

Gegenbeispiel: Ich erzähle Slammer_innen, auf die ich viel halte, von Gelegenheiten. Von einem Anthologieprojekt, einer Ausschreibung, einer Literaturzeitschrift, einem wichtigen Kontakt. Oft höre ich: „Da soll ich was hinschicken?“, „Da passt mein Text dazu?“, „Die meinen mich?“.

Die Stimmen, die so antworten, haben eine Gemeinsamkeit: Es sind zu 99,5% junge Frauen*. Und während ich verärgert im Kreis springen will wie Rumpelstilzchen, erinnere ich mich an Sätze, die ich als Kind oft gehört hab. Nein, nicht als Kind. Als Mädchen!

„Eigenlob stinkt.“ „Sei nicht so laut!“ „Dräng dich nicht immer so in den Vordergrund!“

Brauchen Frauen* eine Extraeinladung für die Bühne? Keine Ahnung, aber ich habe eine gebraucht. Und das, obwohl Schreiben mein Herzenswunsch war, seit ich 15 bin. Und das, obwohl ich – bewusst oder unbewusst – jede andere Karriere vermieden habe und mich von Anfang an mit voller Energie und ganzem Herzblut für die Slambühne ins Zeug geworfen habe. Wohlgemerkt: Für die Szene, nicht für die eigene Karriere.