How much is the fish? So berechnest du deine Gage!
Nicht über Geld zu reden muss man sich leisten können. Freischaffende Künstler*innen können das nicht. Nicht, weil wir arm sind, sondern weil wir unseren Mindestlohn selbst bestimmen, unsere Gagenverhandlungen selbst führen, unseren Marktwert selbst festlegen und unsere Altersvorsorge selbst sichern müssen. Brechen wir also mit der Konvention und tun es: Sprechen wir über Geld! Part 1/2:
Am Anfang eines Auftrags steht die große Frage: Wie viel soll ich verlangen? Es gibt drei Hauptfaktoren, die deinen Preis bestimmen sollten: 1. die Auftraggebenden und der Auftragszweck, 2. dein Marktwert und 3. dein Aufwand. Um zu wissen, was du für einen Auftrag verlangen kannst, solltest du dir folgende Fragen stellen:
(Knock, knock –) Who’s there?
Frage: Was haben eine Auftrittsanfrage und ein erstes Date gemeinsam? Antwort: Das Erste, was du danach machst, ist googlen. Wenn du wissen willst, was du verlangen kannst, musst du wissen, mit wem du es zu tun hast. Ein typischer Anfängerfehler ist es, dabei nicht zwischen Anfrage und Bezahlung zu unterscheiden: Die Institution, die dich anfragt, ist nicht zwingend die, die am Ende deine Rechnung bezahlt. Als Slammerin* wirst du oft mit Agenturen zu tun haben, die von einem Kunden engagiert wurden. Es kann vorkommen, dass die anfragende Agentur selbst klein wirkt, der Kunde, das Projekt und der Budgetrahmen dahinter aber größer sind – und umgekehrt. Es kann auch vorkommen, dass die Agentur, die dich anfragt (z.B. eine Künstler*innen-Agentur) von einer anderen Agentur (z.B. von einer Eventagentur) engagiert wurde.
Diese Zusammenhänge sind so komplex wie wichtig für deine Kalkulation. Meine Erfahrung hat folgende Regel ergeben: Je weiter der Weg zum Kunden, je mehr Agenturen, desto größer der Kommunikationsaufwand – und desto kleiner die Gage.
Was wollen die von mir?
Wenn du einen Überblick darüber hast, wer dich engagiert, ist die nächste Frage: Wozu werde ich engagiert? Unternehmen und Agenturen buchen dich, weil sie dich super finden, aber vor allem, weil sie mit dir einen bestimmten Unternehmenszweck verfolgen. Das muss nicht immer die plakative Bewerbung eines Produktes sein. Oft sind die Ziele subtiler, dienen der Imagebildung, der Ansprache einer bestimmten Zielgruppe oder der Mitarbeiter*innenbindung.
Indem du einen Auftrag annimmst, dienst du indirekt dem gewinnmaximierenden Zweck des Unternehmens. Oder anders formuliert: Das Unternehmen hat mehr von deiner Arbeit als nur einen Text und eine Performance. Für dieses Mehr kannst du auch mehr verlangen.
Warum ich?
Ich habe oft beobachtet, dass Künstlerinnen* ihren eigenen Marktwert unterschätzen oder es als unanständig empfinden, für ihn einzustehen. Jeden Tag Selfies zu posten scheint ok, aber den eigenen Wert zu kennen, wirkt immer noch selbstverliebt. Dabei geht es in diesem Punkt nicht um Narzissmus, sondern um schlichte Regeln der Marktwirtschaft: 1. Du bist Slammerin*. Während es Texter*innen wie Sand am Meer gibt, sind Slammerinnen* rar. 2. Du bist ein Multitalent. Du kannst einen Text erstellen, ihn einsprechen, live performen, vor der Kamera stehen, ganze Veranstaltungen moderieren, usw.. 3. Sehr wahrscheinlich wurdest du angefragt, weil du für eine ganz bestimmte Sache stehst, eine ganz bestimmte Zielgruppe erreichst oder einen gewissen Bekanntheitsgrad hast. Für all das kannst du auch mehr Geld verlangen.
Wer sind die anderen?
Es lohnt sich herauszufinden, ob noch andere Künstler*innen angefragt wurden und wenn ja, wer. Nicht, weil du dich mit denen auf Facebook zu illegalen Preisabsprachen verabreden solltest, sondern weil dir das viel über die Wünsche der Auftraggebenden verrät:
Sind außer Dir auch noch Magier*innen und Jongleur*innen angefragt, kannst du davon ausgehen, dass der Kunde einfach nur irgendeinen künstlerischen Beitrag will – egal was. In dem Fall wirst du als Slammerin* sehr wahrscheinlich über den Angeboten der anderen liegen und deine Kunst wird unter Umständen weniger wertgeschätzt.
Wurden außer dir noch 40 andere Slammer*innen angefragt, will der Kunde “irgendwas mit Slam” und konnte sich Julia Engelmann nicht leisten. In dem Fall wirst du szene-übliche Beträge verlangen können.
Hat der Kunde aber nur dich oder dich und noch eine*n andere*n Slammer*in angefragt, kannst du davon ausgehen, dass es sich um echtes Interesse an dir und deiner Arbeit bzw. deinem Stil handelt. In dem Fall kannst du mehr verlangen oder dich – je nach Projektgröße – mit der betreffenden Person zusammentun und einen Teamauftritt anbieten (it`s been a true pleasure, Ken <3).
Was ist mein Tag wert?
Am Ende des Tages musst du dir überlegen, was dir eben jener wert ist. Tagessätze sind die beste Möglichkeit, nicht nur die reine Texterstellung, sondern Recherche- und Denkarbeit, kreative Leistung, Proben und Bearbeitungsschleifen zu berücksichtigen. Die Höhe deines Tagessatzes kannst du an den gängigen Beträgen für Werbetexter*innen abgleichen. Die gehen schon mal bis 750€. Beträge zwischen 400€ und 650€ halte ich persönlich für gängiger.
Was dein Tagessatz noch nicht beinhaltet, sind die Rechte am Text bzw. am Bildmaterial, das während deiner Performance entsteht. Wollen die Auftraggebenden ein Video von dir auf ihrer Internetseite veröffentlichen oder auf YouTube hochladen, solltest du die Rahmenbedingungen dafür genau festlegen und dich auch dafür vergüten lassen.
Fazit
Folgendes muss dir klar sein: Deine Arbeit ist wertvoll. Du musst nicht dankbar sein, für jemanden arbeiten zu dürfen.
Niemand außer dir selbst wird für deine Preise kämpfen und sich um deine Altersvorsorge kümmern!