„Pennplatz ist kein Problem“
Worauf du als Veranstaltende*r bei der Übernachtungssituation achten solltest und was du als Slammerin* einfordern darfst.
Ja, es ist wahr: Ich habe zu einer Zeit mit Slam angefangen, als das gemeinschaftliche Übernachten in Mehrzweckhallen und der Umbau von Auftrittslocation zu Pennstation mit mitgebrachtem Schlafsack bereits größtenteils der Vergangenheit angehörten. Meine Generation ist mit Hotels, Einzelzimmern und Frühstücksbüffet verwöhnt worden. Und trotzdem kann gerade die Übernachtungssituation immer wieder dazu führen, dass man sich – vor allem als junge Slammerin*– unwohl fühlt.
Viele Geschichten, die ich leider immer wieder zu hören bekomme, und die auch mir immer mal wieder passieren, zeigen, dass es noch immer Situationen gibt, in die kein*e Auftretende*r kommen sollte!
Deswegen hier nun ein Guide für Veranstaltende, aber auch für Slammer*innen: Damit alle wissen, auf was geachtet werden sollte und was man einfordern darf.
1. Die Übernachtungsmöglichkeit muss im Voraus mit den Betroffenen abgesprochen werden!
Das ist meiner Meinung nach schon der wichtigste Punkt. Immer wieder kommt es zu Missverständnissen und Unmut, weil im Vorhinein einfach zu wenig abgesprochen wurde. Die meisten Situationen lassen sich zur Zufriedenheit aller klären, aber eben nur, wenn man drüber spricht, solange man noch etwas ändern kann.
Wenn du veranstaltest, kommuniziere am besten schon in der Anfrage klipp und klar, was du bieten kannst!
Wenn du angefragt wirst und dir unsicher bist, frag nach! Das ist in Ordnung und seriöse Veranstaltende werden dir darauf auch immer gerne eine Antwort geben.
Eine private Unterkunft, ein Raucher*innenzimmer, ein gemischtes Zimmer mit Stockbetten und Gemeinschaftswaschraum – all das ist vielleicht überhaupt gar kein Problem. Es muss aber im Vorhinein angekündigt werden, so dass man sich, falls es nicht in Ordnung ist, um eine Alternative kümmern kann. Fall es keine Alternative gibt, sollte es okay sein, wenn jemand aufgrund der Übernachtungssituation absagt.
Ich habe sehr gute Erfahrungen damit gemacht, wenn mir Veranstaltende bei der Zimmerbuchung eine kurze Nachricht geschickt haben, in der sie erklärt haben, warum es nur noch die Doppelzimmervariante mit dem männlichen Kollegen XY gab und einfach nachgefragt haben, ob ich damit einverstanden wäre. Entweder war das dann eh ein enger Freund und kein Problem, oder es war völlig stressfrei möglich, zum Beispiel bei der Veranstalterin selbst unterzukommen.
2. Eine Übernachtungsmöglichkeit, in der sich deine Slammerinnen* wohlfühlen, ist zunächst deine Verantwortung!
Wenn das Übernachtungsthema angesprochen wird, kommt oft das Gegenargument: Dann soll die Slammerin* doch sagen, wenn sie sich nicht wohlfühlt!
Das ist aber gar nicht so einfach. Erst neulich hat Theresa Reichl hier im Blog beschrieben, wie stark sie als U20erin den Druck gespürt hat, dazuzugehören. Wir alle kennen das. Ob U20 oder nicht. Gerade deswegen ist es verdammt schwierig, etwas zu sagen, das Stress verursachen könnte oder wofür man für divenhaft oder kompliziert gehalten werden könnte.
Eine gute und sichere Schlafmöglichkeit zu schaffen, ist ganz klar die Aufgabe der Veranstaltenden. Sorg dafür, dass sexuelle Belästigung keinen Platz hat, deine Gäste nach der Veranstaltung nicht stundenlang allein durch fremde, dunkle Straßen laufen müssen oder als Nichtraucher*innen in einem Raucher*innenzimmer ersticken!
Denk darüber nach, wie du dein Line-Up am besten unterbringst und versuch darauf einzugehen, wenn es zu unguten Situationen kommt! Das liegt nicht im Aufgabenbereich deiner Künstler*innen!
Und an die Slammer*innen geht ganz klar der Rat: Wenn du dich trotzdem unwohl fühlst, Angst hast oder um deine Gesundheit fürchtest: Sag was! Niemand muss unzumutbare Schlafsituationen aushalten, du musst nicht im selben Bett schlafen wie ein dir unbekannter Slammer* oder in ungeheizten Kellerräumen mit nassen Bettdecken oder im Backstage eines Technoclubs, der bis 7 Uhr morgens offen hat. (Ja, das haben wir so alles schon erlebt…)
Wenn die Situation für dich unzumutbar ist, sprich es an! Professionelle Veranstaltende werden versuchen, mit dir gemeinsam eine Lösung zu finden.
3. Das Einzelzimmer sollte nicht ausgelost werden!
Oft ist ein Hostel schon sehr voll oder die Finanzen lassen nur ein Einzelzimmer zu. Ich habe es relativ oft erlebt, dass die Veranstaltenden diesen Fact dann in die Infomail gepackt haben und im Gruppenchat ausgeschachert wurde, wer im EZ schlafen darf.
Das ist nicht immer optimal, denn: Um als einzige junge Frau* anzumelden, dass man gerne das EZ hätte, braucht man viel Mut und den haben nicht alle. Vor allem dann nicht, wenn um dich herum vier gestandene Männer „Shotgun!“ brüllen.
Als Veranstaltende*r solltest du im Blick haben, wie dein Line-Up aussieht und für wen das Einzelzimmer am sinnvollsten sein könnte. Dass das untereinander wieder getauscht werden kann, ist eine andere Geschichte und im Einzelfall oft die bessere Lösung. Aber wenn du nur eine (junge) Frau* auf Tour dabeihast, sollte klar sein, dass sie erstmal das Vorrecht auf Privatsphäre und sicheren Schlaf hat, um nicht in eine schwierige Situation gebracht zu werden.
4. Welpenschutz! U20-Slammer*innen sind doppelt schützenswert!
Darauf haben wir uns in der Slamszene eigentlich sowieso geeinigt, aber dann gibt es natürlich doch immer wieder die U20er*innen, die so besonders reif wirken, dass gerne mal vergessen wird, wie jung sie noch sind, oder die Zimmerbelegung geht eben gerade so gut auf, dass das Alter dann mal kurz egal ist.
U20-Slammer*innen* auf Tour ist ein eigenes Thema, das an anderer Stelle besprochen werden soll, aber wenn du jemanden aus dieser Kategorie auf deiner Veranstaltung hast, dann ist es ganz besonders wichtig, dass die Übernachtung stimmt!
Ich hatte das große Glück, bei einem Veranstalter anzufangen, der sehr penibel darauf geachtet hat, dass ich immer alleine oder mit einer anderen Slammerin* meines Alters untergebracht war. Außerdem war mein Zimmer, wenn möglich, auf derselben Etage wie seines und meistens wusste ich auch seine Zimmernummer. So etwas gibt Sicherheit.
Das war Glück. Ich wünsche mir aber, dass dieses Bewusstsein bei allen Veranstaltenden ankommt! Es muss selbstverständlich sein, dass eine U20-Poetin* besonders geschützt wird und nicht auf sich gestellt unter (älteren) Männern* die Nacht verbringt! Auch das Nichtraucher*innenzimmer sollte hier absoluter Konsens sein!
Einen Gefallen tust du deinen U20er*innen auch damit, wenn du sie vorher briefst, ihnen deine Hilfe anbietest und ihnen noch mal sagst, dass sie sich auf nichts einlassen müssen, was sie nicht wollen und Bescheid geben können und sollen, wenn sie sich nicht wohl fühlen.
5. Geschlechtertrennung sollte erstmal Standard sein!
Nein, wir sind nicht in der Grundschule und ja, es soll schon ganz tolle Freundschaften zwischen Slammern* und Slammerinnen* gegeben haben.
Trotzdem sollte der Standard ganz einfach sein, dass tourende Frauen* zusammen im Zimmer vorgesehen sind. Meistens sind wir ja doch in der Unterzahl und da kann das nun mal entscheidend dazu beitragen, dass wir uns sicher fühlen.
Vor allem, wenn es um Zimmer mit geteilter, nicht abschließbarer Dusche oder eng beieinanderstehenden Betten bzw. Doppelbetten geht, muss das wirklich klar sein.
Wenn dann alle Beteiligten einverstanden sind, zu tauschen und zu mischen, ist ja alles wunderbar.
6. Ein Recht auf Schlaf! Es sollte möglich sein, früh ins Bett zu gehen.
Wenn alle Beteiligten erwachsen sind, ist ein Stück Eigenverantwortung natürlich zumutbar und meistens können sich Zimmergenoss*innen einfach untereinander absprechen.
Manchmal ist es dennoch nötig, dass du als Veranstalter*in dafür sorgst, dass es überhaupt eine Möglichkeit gibt, vor 3 Uhr nachts ins Bett zu kommen.
Warum das jemand will, ist individuell, sollte aber immer respektiert werden! Manche von uns machen so regelmäßig Slam, dass es einfach gesundheitlich bedenklich wird, jede Nacht Party zu machen, andere haben nebenbei noch Job oder Studium, wozu sie ausgeschlafen und nüchtern sein wollen, vielleicht ist jemand krank oder hat ganz einfach keine Lust, lange aufzubleiben.
Es ist inakzeptabel, wenn eine Übernachtung erst möglich wird, nachdem auch der letzte Partygast nach Hause getorkelt ist. Da muss es Alternativen geben.
Genauso unmöglich ist es, nur mit einem Auto ins Hotel zu kommen, das alle gemeinsam nach der Aftershowparty mitnimmt. Wenn jemand wirklich müde ist und schlafen möchte und die Übernachtung nicht zu Fuß erreichbar ist, sollte ein Taxi von Veranstalterseite drin sein – notfalls auch für eine Person allein!
Manchmal ist man in Künstler*innenwohnungen untergebracht, wo das gemeinsame Wohnzimmer nach dem nächtlichen Beisammensitzen auch zum Schlafzimmer wird. Das kann eine schöne Sache sein, doch auch hier solltest du (je nach Anzahl der Untergebrachten) darauf achten, dass es eine Möglichkeit gibt, falls jemand schlafen möchte. Niemand sollte zum Schlafentzug gezwungen werden.
7. Sei achtsam vor möglichen Übergriffen und biete deinen Starterinnen* Hilfe an!
Die Slamszene ist nicht Hollywood, aber zu Übergriffen kommt es leider überall. Hier ist es deine Aufgabe als Veranstalter*in, besonders achtsam zu sein. Wenn du mitbekommst, dass unangebrachte Flirtversuche jemanden in eine unangenehme Situation bringen, sich schlechte Dynamiken entwickeln oder durch übermäßige Alkoholisierung Grenzen überschritten werden könnten, sprich es an, versuch die Situation zu ändern und biete deine Hilfe an!
Es ist nicht verkehrt, schon von Anfang an darauf hinzuweisen, dass bei deiner Veranstaltung besondere Achtsamkeit besteht und Slammerinnen* mit ihren Erfahrungen nicht allein gelassen werden.
Gib deine Nummer raus! Wenn du eine Slammerin* aus Platzmangel mit einem oder mehreren Slammer/n* in einem Zimmer unterbringen musst, mach klar, dass sie sich melden kann. Lass ihr vielleicht deine Adresse da oder eine Taxinummer.
Mach im Backstage nicht die Augen zu und zeig klar, wo deine Toleranzgrenze für verbale Übergriffe liegt! Schon das kann Poetinnen* (vor allem, wenn sie alleine da sind) empowern, für sich selbst einzustehen und Probleme anzusprechen.
8. Sei dir wichtig! Kümmere dich um dich selbst!
Auch bei der allergrößten Vorsicht kann es zu blöden oder gefährlichen Momenten kommen. Wenn du selbst unterwegs bist und eine Situation gerät aus dem Ruder, trau dich, dich um dich selbst zu kümmern!
Es kann immer sein, dass dir jemand zu nahe kommt, eine Zimmerverteilung doch blöder läuft als geplant oder irgendetwas passiert, mit dem niemand gerechnet hat. In jedem Fall: Hab keine Angst davor, als kompliziert abgestempelt zu werden und vertrau auf dein Gefühl!
Wenn du dich unwohl fühlst, hast du das Recht, das anzusprechen. Du kannst dich an die Veranstalter*innen wenden, an andere Poet*innen, die mit dir reisen und denen du vertraust, oder auch an jemanden aus der Szene. Wir haben sogar eine Vertrauensgruppe, die sich um solche Fälle kümmert.
Aber auch schon bevor etwas eskaliert, kümmere dich bitte um dich! Du kannst um ein Einzelzimmer bitten, um ein anderes Hotel, eine private Unterkunft oder ein Taxi zum Bahnhof. Sobald du spürst, dass du nicht sicher bist oder belästigt wirst, solltest du unbedingt auf dein Gefühl hören und aus der Situation rauskommen! Die Rechnung kannst du den Veranstaltenden zukommen lassen, denn es ist ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass du sicher schlafen kannst, wenn du für sie aufgetreten bist. Und wenn alle Stricke reißen, verbuch das lieber als Erfahrung und zahl es selbst, bevor du dich einer größeren Gefahr aussetzt! Bevor dich das in den Ruin stürzt, finden wir bei SLAM ALPHAS eine Lösung dafür, scheu also nicht davor zurück, dich zu melden!
Bei allem, was passiert: Die Slamszene ist eine gut vernetzte und eng verbundene Gruppe und es wäre nicht das erste Mal, dass ein nächtlich abgesetzter Hilferuf in einer Facebook-Gruppe in letzter Sekunde für eine wunderbare Übernachtungsmöglichkeit oder einen Sturm der Liebe sorgt, der dir die Angst nimmt.
In diesem Sinne: Gute Nacht!