2. Juli 2018

Touren – gestern und heute

Ich bin nie viel getourt, höchstens mal fünf bis sechs Tage am Stück. Aber meine erste Tour ist schon über zehn Jahre her. Zeit für einen Vergleich. Was sich verändert hat – und was nicht.

Was ist eine Slam-Tour?

Früher hieß Slam-Tour eher, dass sich jemand aufmacht, um in einer entfernteren Gegend mehrere Tage hintereinander Gast bei Slams und Leseshows zu sein, die alle nicht allzu weit entfernt liegen. So, dass Veranstalter*innen die Reisekosten zusammenlegen konnten – z.B. sind bei der Nord-Tour zwei bis drei Veranstaltende involviert. Heute sind professionalisierte Slammer*innen ja oft eh schon ständig auf Tour, weil sie an einem Tag einen Auftritt in Leipzig, am nächsten einen in Aachen haben. Du kannst dir eine Tour basteln, indem du Auftrittsmöglichkeiten und Fahrtkosten in verschiedenen Orten an aufeinanderfolgenden Tagen erfragst. Oder du wirst auf eine bereits als solches geplante, regionale Tour eingeladen. Manche Veranstalter*innen legen ihre Shows so, dass sie mehrere Reisepoet*innen für einige Tage hintereinander in ihr Revier holen können (z.B. bei der Franken-Tour). Es gibt auch Touren, bei denen die Tour zur Idee der Veranstaltung gehört, z.B. Zipfeltreffen – Die Poetry Slam Tour.

 

Wie komme ich an eine Slam-Tour?

Der schönste Weg ist immer noch der altmodische: Eine Person, die andernorts Slams veranstaltet, sieht dich irgendwo auf einer Bühne und lädt dich zu sich ein, vermittelt dich ggf. noch weiter. Auch unter den Slammaster*innen tauscht man sich natürlich aus oder erkundigt sich nach Entdeckungen und Empfehlungen. Heute geschieht aber auch vieles über Soziale Netzwerke, Slammer*innen fragen nach Terminen und Anschlussterminen, Veranstalter*innen sehen sich (daraufhin) Videos an oder suchen z.B. in der Slam Alphas-Karte nach einer Vervollständigung fürs Line-Up.

 

Schlafen auf Tour

Das ist definitiv der Punkt, der sich am meisten zum Guten verändert hat. Fee hat hier viel Gutes und Wichtiges aufgeschrieben.

Ich habe lange nicht mehr mit fünf Mitstreiter*innen auf mitgebrachten Iso-Matten im Gästezimmer der Veranstalterin geschlafen, zwischen dem aus der Location mitgenommenen Bierkasten und vollen Aschenbechern. Allerdings ergibt sich durch die zunehmende Professionalisierung im Slam auch der Trend, immer früher ins Bett zu gehen und nach der Show weniger beisammen zu sein. Besonders schön an mehrtägigen Touren mit einer kleinen Gruppe in einer Region ist es daher, dass man sich auch tagsüber kennenlernen und miteinander sprechen kann – vielleicht auch mal wieder über Texte.

Und: viele sind ja – Überraschung! – genauso älter geworden wie ich. Privat übernachten hieß vor zehn oder fünfzehn Jahren fast immer: Wohngemeinschaft, viele Leute und wenig Platz. Heute haben auch immer mehr Veranstalter*innen ein Gästezimmer.

 

Geld / Fahrtkosten

„Wir hatten ja nichts!“ – tatsächlich hatte ich lange keine BahnCard. Ich hab’ mehr im Voraus geplant, Sparpreise gebucht (heute geht Sparpreis zum Glück auch mit BC50) oder wir wurden schon als „Reisegruppe“ mit einem Auto angefragt. Dass sich Veranstalter*innen zusammentaten, um sich Weitgereiste überhaupt mal leisten zu können, ist sicher der Beginn des Slamtourens gewesen – also Kostenbewusstsein. Heute können sich große Slams auch für Einzeltermine Reisepoet*innen leisten und es ist üblich, dass bei Touren auch etwas übrig bleibt, schließlich kostet ein Kaffee unterwegs auch mehr als Zuhause – und laufende Kosten gibt’s ja auch noch.

 

Absagen

Als Veranstalterin kann ich auf jeden Fall sagen, dass es heute häufiger Absagen gibt, als früher. Die Gründe sind vielfältig und oft verständlich. Die Suche nach Ersatz kann anstrengend sein, besonders kurz vor dem Slam, wenn Veranstalter*innen oft auch anderes zu tun haben. Wenn du merkst, dass du krank wirst oder wenn etwas dazwischen gekommen ist, dann sei so gut und melde dich sofort bei den Veranstalter*innen der Tour, für die du eingeplant bist.

 

Organisation

Eine gute Tour-Organisation schickt dir ungefragt rechtzeitig alle Infos, die du brauchst. Dank technischer Hilfsmittel ist heute eh vieles einfacher, jede*r hat ein Smartphone mit Navi-Funktion (bei mir im Auto türmten sich früher die Reiseplanung-de-Ausdrucke), dank der Sozialen Netzwerke finden wir im Zweifel leicht auch unterwegs raus, wo der Slam stattfindet oder wer noch so kommt und können einfacher jemanden erreichen.

 

Deine Vorbereitung

Ich hab’ mal was zum Packen aufgeschrieben, aber auch hier hat sich einiges verändert. Da immer häufiger in Hotels übernachtet wird und sich auch die Ausstattung von Hostels und sonstigen Herbergen sehr verbessert hat, brauchst du meist keinen Fön oder Handtücher mehr mitzunehmen. Und nahezu jede größere Location verfügt über ein Büro mit Drucker und Internet. Für den Fall, dass du deine Textmappe/dein Tablet verlierst, mein Tipp: leg’ dir das Zeug in eine Cloud und frag’ nach Zugang.

Zusätzlich wird beim Reisen heute mehr auf Nachhaltigkeit geachtet. Heißgetränke im Bordbistro sind mit mitgebrachtem Bechern heute sogar 20 Cent günstiger (Bambusbecher sind leicht, spülmaschinenfest und robust!).

 

Was noch wichtig ist

Du solltest immer daran denken: Alles, was heute besser ist, als vor zehn oder fünfzehn Jahren, haben deine Mitstreiter*innen vor dir erarbeitet oder die Veranstalter*innen für dich nach und nach möglich gemacht. Sie haben damals dafür gesorgt, dass der Slam in Hintertupfingen von weitgereisten Poet*innen besucht werden konnte, sich etabliert hat und inzwischen einen schönen Tourtag auch finanzieren kann. In diesem Sinne sollte es Konsens sein, sich auf Tour ordentlich zu benehmen, damit das auch so weitergeht.

Es ist völlig okay, sowohl in der Location als auch bei den Veranstaltenden zu übernachten, im Hostel oder im Hotel. Du entscheidest selbst. Du solltest vorher nur gefragt werden (oder eben selbst fragen), damit es nicht zu Missverständnissen kommt. Weder das eine noch das andere ist das Nonplusultra und passt zu jedem Slam oder zu jedem Gast. Deswegen ist es wichtig und richtig, dass es diese verschiedenen Möglichkeiten gibt. Wenn dir eine Bedingung oder eine Situation nicht behagt: äußere das, und zwar den Veranstaltenden gegenüber! Du darfst erwarten, dass Veranstalter*innen und Kolleg*innen Rücksicht nehmen und versuchen, ihr Bestes für eine schöne Zeit zu geben – so wie du auch!

Mehr?

Wenn du jetzt am liebsten lostouren möchtest, aber gerade studieren musst oder Urlaub machen, dann geh’ auf Tour mit dem wohl meistgereisten Slammer, Frank Klötgen: In Slammed erzählt er von seiner großen weltweiten Abschiedstour, mit kritischen und liebevollen Rückblicken auf eine lange Slam-Karriere.