15. Oktober 2018

Trans und Slam

Nach drei Jahren aktiven Poetry Slammens und zwanzig Jahren als Frau, entschied ich mich, meine Geschlechtsidentität auszuleben – auch auf der Bühne.

Diese Sache mit dem Outen

Vor ein paar Monaten beschloss ich, mich als trans zu outen und nicht mehr länger als Frau zu leben. Sondern als transmaskuliner Mensch mit dem Namen Jonin und er- oder keinem Pronomen. Trans… Was ist das nochmals ganz genau? Trans bedeutet, dass die Geschlechtsidentität nicht mit dem Geschlecht übereinstimmt, das einem bei der Geburt zugewiesen wurde. Wenn es übereinstimmt, also das Gegenteil von trans, dann nennt man das cis.

Viele Fragen und Unsicherheiten beschäftigten mich: Soll ich vorerst weiter unter meinem alten Namen auftreten? Weiter als Frau auftreten und nur neben der Bühne meine Geschlechtsidentität ausleben? Ich spürte zwar, dass ich das nicht wollte, aber es war eine Angst da, vor dem, was kommen könnte: Mich ständig erklären zu müssen, doofe Reaktionen zu erhalten, vielleicht würde es mich bei Leuten outen, bei denen ich noch warten wollte. Oder ich würde gar Transfeindlichkeit ausgesetzt sein.

Überhaupt: Wie oute ich mich am besten bei Veranstalter*innen? Sie vor Ort kurz zur Seite nehmen oder doch lieber vorher eine Nachricht schreiben, damit man mich nicht falsch angekündigt? Auf jeden Fall fühlte ich mich in dieser Situation sehr unbeholfen.

Dann kam eine Infonachricht für den bevorstehenden Queerslam. Nach den gewöhnlichen Informationen kam noch die Bitte: Wir sollten doch mitteilen, mit welchen Pronomen wir angekündigt werden wollen.

Das kam mir gelegen. Ich befürchtete schon, dass ich eine für mich unangenehm zu schreibende Nachricht schicken müsste, die in meinem Kopf etwa so klang: «Hallo, also ich weiss, du kennst mich unter dem Namen XY und so bin ich ja auch die letzten Jahre aufgetreten, aber weisst du, ich bin halt eben trans und darum wäre ich echt froh, wenn’s möglich wäre, wenn du mich nicht mehr als XY ankündigen würdest, sondern als Jonin und bitte braucht keine weibliche Formulierung für mich in der Moderation. Das wäre echt sehr nett! – Aha und halt nicht nur in der Moderation, sondern wenn’s geht auch bitte sonst im Leben…» Natürlich hätte ich eine solche Nachricht nicht abgeschickt, aber es hätte sich etwa so umständlich angefühlt.

Deshalb: Fragt mehr nach Pronomen! In Infomails, Nachrichten oder persönlich. Es tut niemandem weh und schafft ein vorteilhaftes Umfeld für Transmenschen. Im Speziellen um sich zu outen.

 

Pronomen-Durcheinander

Unangenehme Momente können nämlich zur Genüge entstehen. Zum Beispiel, wenn jemand im Backstage vor allen anderen – meist cis Poeten*innen – falsche Pronomen für mich verwendet, also, wenn jemand in Bezug auf mich sie/ihr sagt, anstatt er/ihm oder eine geschlechtsneutrale Variante zu brauchen. Das Verwenden von falschen Pronomen kann sehr unangenehm sein und bei vielen Transmenschen Dysphorie (https://queer-lexikon.net/wp/2017/06/15/dysphorie/) auslösen. Gerade in einem Backstage, in dem man die anderen Poeten*innen nicht gut kennt, kann es schwierig sein, jemanden zu korrigieren, der*die falsche Pronomen oder auch den falschen Namen verwendet hat.

Natürlich kann es passieren, dass man etwas falsch macht. Das ist auch grundsätzlich nicht schlimm. Wenn es einem selbst auffällt, kann man sich selbst korrigieren und wenn man von jemand anderem korrigiert wird, kann man sich entschuldigen und versuchen, es nicht mehr zu machen. So einfach ist es.

 

Aber ich kenne dich doch unter einem anderen Namen?

Auch ein sehr unangenehmer Moment ist es, wenn du dich unter deinem neuen Namen jemandem vorstellst und jemand anderes, der*die das mitkriegt, daneben sagt: «Hä? Aber du heisst doch soundso…?!» Das ist eine Situation, die sehr verunsichernd sein kann. Jedenfalls war sie es für mich. Ich habe dann erklärt, dass ich trans bin und darum einen neuen Namen brauchte und dann war es klar, aber trotzdem ist das im ersten Moment sehr stressig. Aber auch das lässt sich ohne Problem vermeiden. Du bist irritiert, weil sich neben dir jemand mit einem anderen Namen vorstellt, als du die Person kennst? Sprich die- oder denjenigen unter vier Augen darauf an und frag, wie du sie*ihn nennen sollst.

 

Tipps für trans Poeten*innen:

  • Besteht darauf, dass ihr richtig angesprochen und anmoderiert werdet
  • Sagt anderen, wenn euch etwas unangenehm ist
  • Ihr müsst euch für eure Geschlechtsidentität nicht erklären oder rechtfertigen
  • Lasst euch von nichts unterkriegen!

Tipps für cis Poeten*innen/Veranstalter*innen

  • Fragt nach Pronomen
  • Fragt nach Namen
  • Informiert euch (und nein, trans Poet*innen müssen euch nicht alles erklären, bloss weil sie trans sind! Dafür gibt es das Internet mit ganz vielen guten Websites zb. https://www.tgns.ch/de/information/)

 

Trotz all der Unsicherheiten und den paar unangenehmen Momenten, die ich erlebt habe, waren die Reaktionen durchwegs positiv und ich habe vollen Support bekommen. Ein Danke an alle Moderationen, die bisher ohne Probleme den richtigen Namen und die richtigen Pronomen verwendet haben! Ein riesiges Danke an die Slamily! <3