6. Mai 2019

Ich habe mich verloren und geh mich suchen: Auf der Bühne.

Ich suche. Ich ringe mit mir. Ich stelle mich hin und teile mich mit. Hallo, ich bin Piera, auf der Suche nach mir selbst und ich lasse dich mit diesem Text oder an Auftritten an meiner Selbstfindung teilhaben.

Dieses Selbstfindungs-Zeugs hab’ ich irgendwie immer komisch gefunden. «Jässes, tuan doch nid so», hab’ ich gedacht. Sich verlieren? Wie geht das denn bitte? Und überhaupt: Es gibt andere, denen es viel schlechter geht. Also tu nicht so! Ist ja nicht so schlimm, sich selbst zu verlieren. Und dann schaust du in den Spiegel und erkennst dich nicht mehr wieder. Innerlich und äusserlich. Ich habe mich verloren. Was das heisst? Zuerst einmal ganz fest auf die Fresse zu fallen. Dann aufzustehen und keine Orientierung mehr zu haben. Nicht mehr zu wissen, was einem guttut. Was man will. Wo man steht. Wohin es einen zieht. Leere.

Dann schaust du in den Spiegel und erkennst dich nicht mehr wieder. Innerlich und äusserlich. Ich habe mich verloren.

Wie kann man sich denn bitteschön verlieren?

Ich hatte immer das Gefühl, irgendwie falsch zu sein. Darum hab’ ich versucht, mich anzupassen. Aber fühlte ich mich dabei immer leerer. Diese ewige Suche nach Anerkennung. Dieses Gefühl, nur dann gut genug zu sein, wenn man sich anstrengt. So habe ich mich verloren – indem ich nur das gemacht habe, wovon ich dachte, dass es andere von mir erwarten. Das ist ja das Blöde: Man macht Sachen, weil man denkt, andere erwarten es. Dabei erwarten die meisten gar nichts.
Es tut weh, wenn man Anerkennung sucht, sie aber nicht bekommt. Autsch. Ich bin immer und immer wieder auf die Fresse gefallen. Bis ich dann so fest auf die Fresse gefallen bin, dass ich wusste: «So kanns nüm wiitergoh». Ich habe entschleunigt. Und als ich dachte «ez hani mi gfunda», habe ich mit Poetry Slam angefangen.

Tja – ich dachte, ich hätte mich gefunden.

Ich wusste von Anfang an, dass ich erst auf eine Bühne darf, wenn ich stark genug bin. Erst dann, wenn ich diese Anerkennung eben nicht mehr brauche. Weil es mich sonst nur kaputt gemacht hätte. Weil ich dann wieder in eine fremde Rolle gefallen wäre. Will weisch, luschtig sii und so – das kunnt immer guat ah. Dennoch bin ich kurz wieder in alte Muster gefallen. Habe die Anerkennung des Publikums gesucht und sie nicht bekommen. Hab mich verstellt – und noch weniger Anerkennung bekommen. Das ist scheisse – aber eben auch gut. Weil ich so eigentlich dazu gedrängt wurde, mich voll und ganz zu zeigen.
Deswegen habe ich angefangen, meine Geschichten zu erzählen: Liebesgeschichten ohne Happy End, Geschichten von psychischen Problemen. Habe über meine Liebe zu Schoggiküachli mit flüssigem Kern geschrieben, einen Brief an meine Mama (the best übrigens) verfasst. Ich verarbeite. Ich suche. Ich ringe mit mir. Ich stelle mich hin und teile mich mit. Weil es mir guttut und im besten Fall auch ein paar Personen aus dem Publikum erreicht. Das Schönste? Wenn nach dem Auftritt jemand zu mir kommt und sich für den Text bedankt. Denn könnti brüahla.

Ich erzähle meine Geschichte – und Poetry Slam hilft mir, mich selber zu finden. © organisierter Unfug

Und weiter? Ganz viel Ökotussi, Spiritussi, Emanze.

Jap, ich bezeichne mich als Emanze. Sehr bewusst. Weil das Wort so richtig negativ konnotiert ist. Wenn schon, dennschon. Emanzipiert zu sein, klingt eh schön – finde ich. Sich befreien. Sich aus der Diskriminierung lösen. Die bisherige Rolle nicht mehr akzeptieren. Oder in meinen Worten: Menschen, die einen nicht schätzen, den Arschlochfinger zeigen. Ich möchte jungen Frauen zeigen, dass sie u huarra lässig sind. Dass sie nicht auf ihre Linie achten sollen. Denn die Breite einer Linie variiert – und das ist auch gut so. Weil es eben nicht auf diese Linie ankommt, sondern darauf, was drübersteht. Der Charakter. Die Ausstrahlung. Das Herz.

Ich möchte Menschen zeigen, wie lässig ein Ökotussi-Dasein sein kann und wie gut es einem tun kann. Dass es extrem viele Vorteile mit sich bringt. Ich produziere zum Beispiel weniger Abfall, weil ich extrem faul bin – dann muss ich nämlich weniger oft den Müll runtertragen. Ich bin Minimalistin, weil ich zu faul bin um Sachen abzustauben. Oder weil ich dann mehr Platz in meiner Wohnung habe, um zu tanzen. In meinen Wollsocken.
Und die Spiritussi? Ja, auch Spiritualität findi halt huarra lässig. Das hat nichts mit Hokuspokus zu tun – sondern vor allem mit Selbstliebe. Sich selbst zu lieben, muss auch nicht immer so schnulzig klingen. Ich schaue manchmal einfach in den Spiegel und sage «du bisch a geili Sau». Ich lebe im Moment, weil alles andere Zeitverschwendung ist. Und Lebensweisheiten finde ich eba schuno lässig. Manche haben schon was Wahres an sich. Denn eigentlich suchen wir doch alle nach dem Sinn des Lebens, nicht? So abizali. Döfsches schu zuageh.