4. November 2019

Fünf Dinge, die männliche Slam Kollegen und Veranstalter bei mir richtig gemacht haben

Meine Slam-Realität ist eine kleine, heimelige Blase. Ich hatte das unglaublich große Glück, meine ersten Schritte in der Slam-Szene sehr behütet und umringt von achtsamen Menschen zu machen. Es sind mir dabei einige Männer* begegnet, die sehr viel richtig gemacht haben: Ich wurde unterstützt, ermutigt und ernst genommen.


Falls sich der Eine oder die Andere fragt, was er oder sie tun kann, was Frauen* vor und hinter der Bühne manchmal helfen kann, hier eine kleine Liste von Dingen, die mir geholfen haben. Manchmal sind es Verhaltensweisen, die eigentlich selbstverständlich sein sollten, aber die mir im Nachhinein doch positiv aufgefallen sind. Was zeigt, dass es sich dabei eben nicht um Normalität handelt.
Diese Liste erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit und soll auch keinen Anlass bieten, die hier vorgestellten Verhaltensmuster wie eine Art Checkliste abzuhaken, um zu denken «damit hätte man ja dann genug getan».

Zudem handelt es sich hier um mein persönliches Empfinden. Je nach Kontext und Person kann richtiges Handeln variieren. Auch wenn es anstrengend ist, Feingefühl für die Situation und den Menschen sind hier gefragt. Nun aber mein kleiner Erfahrungsschatz an Situationen mit Männern*, in denen ich mich respektiert, ernst genommen oder berücksichtigt gefühlt habe:

1

Im Backstage, auf After-Show Partys und Nachhausewegen wurde ein wachsames Auge auf mich geworfen. Nervige Anmachen, lästige Gespräche und Männer*, die ich nicht mehr losgeworden bin, wurden bemerkt. Es wurde nachgefragt, ob ich mich in der Situation wohl fühle und Hilfe angeboten. Egal ob ich mir das Einschreiten einer Person von außen erhofft hatte oder nicht, dieses Verhalten hat dazu beigetragen, dass ich mich sicher und wahrgenommen gefühlt habe. Und es hat mir auch viele Abende gerettet, denn gerade als U20erin fiel es mir sehr schwer, Männern* eine deutliche Absage zu erteilen und ich harrte lieber in der unangenehmen Situation aus. Durch die angebotene Hilfe wurde ich bestärkt und mir wurde bewusst gemacht, dass ich alles ablehnen darf, was ich nicht möchte – auch wenn es sich bei meinem Gegenüber um eine bereits etablierte Person in der Szene handelt.

2

In Gesprächen und Gruppendynamiken wurde auf mich geachtet. Ein gemütliches Beisammensein nach der Show kann wunderbar sein, aber auch sehr einschüchternd, wenn man selbst gerade die Schule abgeschlossen hat und mit fünf wortgewandten Männern zusammensitzt, die alle mindestens sieben Jahre älter sind, über Dinge reden, die man kaum versteht und einen Witz nach dem anderen reißen. Zu Beginn kam es also oft vor, dass ich verschüchtert und stumm mit dabeisaß und mich dabei sehr irrelevant gefühlt habe. Aber häufig kam es eben auch vor, dass meine Gesprächspartner genau das bemerkten. So wurde ich explizit miteinbezogen, angesprochen und nach meiner Meinung gefragt. Dadurch fühlte ich mich viel weniger fehl am Platz und bekam vermittelt, auch als Mensch im Backstage und nicht nur als Bühnenperson eine Rolle zu spielen. Erst dadurch konnte ich irgendwann anfangen, mich als Teil dieser Szene zu begreifen.

3

Es wurde eingeschritten, wenn ich verbalen Sexismus erlebte. Wenn ich zum Beispiel von externen Veranstaltern mit den Worten „Ach und sie sind also die Quotenfrau!“ begrüßt wurde, wurde vehement dagegen argumentiert. Ich wurde verteidigt und es wurde auf die Qualität meiner Texte hingewiesen. Und das, ohne mich dabei zu bevormunden. Denn oft genug kommt es in solchen Situationen vor, dass ich mich überrumpelt fühle und keine schlagfertige Antwort parat habe. Es tut unheimlich gut, dabei auf die Unterstützung von meinen männlichen Kollegen zählen zu können, die sich dann hinterher genauso schockiert wie ich über solche Äußerungen echauffieren. Das hat mir enormen Rückhalt gegeben.

4

Es wurde nachgefragt, ob bestimmte Berührungen okay für mich sind. So wurde ich zum Beispiel von einem deutlich älteren Slammer gefragt, ob er mich denn zur Begrüßung umarmen dürfe. Oder es wurde um Erlaubnis gebeten, mich zu küssen. Und egal wie meine Antwort dann ausfiel, sie wurde respektiert und danach wurde es nicht seltsam. Solche Nachfragen haben Klarheit geschaffen und versehentliche Grenzüberschreitungen verhindert.

5

Meine ersten Kontakte zu erfahrenen Szenemitgliedern waren fast immer Männer*. Und von ihnen wurde ich ermutigt weiterzumachen, mich auszuprobieren oder habe ich konstruktive Kritik bekommen. Da so viele meiner Ansprechpartner männlich waren, hatte ich zu Beginn auch Bedenken, feministische Themen auf der Bühne anzusprechen. Dabei haben mir paradoxerweise gerade die Ermutigungen von diesen Männern* Sicherheit gegeben, mich mit einer solchen Thematik an ein Mikrofon zu wagen. Aufgrund von fehlenden Vorbildern traute ich mir auch kaum eine Moderation zu. Aber auch hier haben männliche Moderatoren sich die Zeit genommen, die es brauchte, um mir Bedenken und Angst zu nehmen. Das alles gab mir den Mut, auf der Bühne Verschiedenes zu versuchen.

 

All diese Verhaltensweisen haben es mir sehr viel leichter und angenehmer gemacht. Ich hätte zu Beginn gerne andere Frauen* als Ansprechpartnerinnen gehabt, aber es gab sie nun mal nicht. Deshalb war die Unterstützung und Rücksichtnahme dieser Männer* noch wertvoller. Denn wann immer es in einem Bereich an Frauen* fehlt, sind aufmerksame Männer* umso wichtiger. Zum Glück gibt es diese Männer*!