18. Mai 2020

Humorvoll, sexuell befreit und motiviert: Druck, Druck, Druck!

Angeblich schreiben Menschen am besten, wenn sie vor Selbstbewusstsein nur so strotzen. Als Schreibtipp habe ich einmal gelesen, Frau* solle humorvoll, sexuell befreit und motiviert sein für den Schreibprozess. Das ist einiges. 

Es ist nicht so, als würde ich nicht an diese befreiten Momente glauben. Es gibt sie. Manchmal, wenn es mich einfach überkommt und ich den Worten nachrennen muss und sie einfangen will. Wenn es in mir drin zu brodeln beginnt, meine Finger sich vor Aufregung immer häufiger vertippen, ich meine Sitzposition ungefähr 30 Mal ändere und mich nicht getraue aufs Klo zu gehen, aus Angst, die Magie des Momentes zu zerstören. Texte können so entstehen und das ist wunderbar (abgesehen von der Klo-Problematik). Wunderbar vor allem, weil ich ganz in meinem Text bin und ihn gleichzeitig von Aussen betrachte. Weil mein Kopf voll dabei ist und gleichzeitig aussen vor. Weil ich mich dem Prozess voll und ganz hingebe. Ich das Gefühl aus mir herausfließen lassen kann, ohne nebenbei auch noch Richterin* und Kritikerin* zu sein. Ich liebe diese befreiten Momente. Ich liebe sie beim Schreiben und ich liebe sie auf der Bühne.

Phuuu– das bedeutet eine Menge Druck

Aber oft klappt das mit dem völlig befreit sein nicht, oder zumindest nicht so wie ich mir das vorstelle. Oft stehen Fragen, Gedanken und Druck zwischen mir und meinem Idealbild des selbstgeschriebenen Textes. Ich habe Angst vor meiner eigenen Mittelmäßigkeit und flüchte vor dem eigenen Versagen.
Das finde ich schade, weil das Schreiben für mich etwas sehr Sinnliches ist. Sinnlich und unberechenbar. Unberechenbar, weil jeder Text anders klingt und zu Beginn das Ende nur selten schon feststeht. Sinnlich, weil es meine ganze Hingabe, Aufmerksamkeit und Achtsamkeit erfordert. Wenn meine Worte und meine Stimme zu einem Spiegel werden, in dem ich mich und im besten Falle auch andere sich wiedererkennen können. Es ist schade, wenn dieser Druck das zurückhält, was eigentlich raus möchte. Was unfertig ist, roh und unsicher.

Aushalten oder loswerden?

Was macht frau* nun mit diesem Druck? Manchmal helfen Spaziergänge im Wald, ein Gespräch mit einer guten Freundin oder der Lieblingscappuccino in der Stadt. Aber manchmal bleibt dieser Druck hartnäckig und die Abgabefrist rückt immer näher – was dann? Aushalten – und immer ganz wichtig: Atmen. Oft hilft es mir, wenn ich mir den Druck vorstellen kann – als eine Version von mir und ich diese dann irgendwo im Raum platzieren kann. Das hilft mir mich von der Vorstellung zu befreien, vom Druck kontrolliert zu sein. Vor allem versuche ich mich aber daran zu erinnern, dass morgen ein neuer Tag sein wird, mit neuen Ideen und neuen Texten, die von mir geschrieben werden wollen.

Gerade sitze ich in meinem Pyjama mit meiner gefüllten Müslischale an meinem Tisch auf dem Balkon, kleckse mich ziemlich oft voll, weil Schreiben und Essen gleichzeitig eigentlich keine schlaue Idee ist, und schreibe und lösche und schreibe und lösche. Dann klapp ich mein Tablet zu und denke: War das jetzt humorvoll, sexuell befreit und motiviert? Vielleicht.