Politik und Bühne
Wie wir wissen, ist auf Slam Bühnen bis an die Schmerzgrenzen der MCs alles erlaubt – sei es Genre oder Inhalt. Wir gehen auf die Bühne, bringen das Publikum zum Lachen, Nachdenken oder Weinen. Wir erzählen von unserem Alltag, einem Lyrischen Ich oder verlieren uns im Skurrilen. Ganz schön belanglos, oder nicht?
Dabei treten wir täglich vor 10-10.000 Menschen auf. Wir leben in Zeiten, in denen es auf das Korrektiv jedes*jeder Einzelnen innerhalb unserer Gesellschaft ankommt. Tragen wir als Künstler*innen nicht die Verantwortung, durch unsere Texte Multiplikator*innen im Publikum zu schaffen? Sie als emanzipierte Menschen wieder hinaus in die Welt zu schicken, sie sprachfähig zu machen gegen Menschenfeindlichkeit, Anti-Feminismus, Hass und den Kapitalismus? Sei es auch nur, dass sie bei der nächsten Diskussion sagen können „Hört euch doch zu dem Thema mal den neusten Text von Fee an!“.
Ach, das wäre schön. Am Ende leben wir dann in einer Welt, in der es ausschließlich Liebe und Frieden gibt.
Slam bringt Liebe
Bei einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Thema wird einem schnell klar, dass wir das als Slam Szene nicht leisten können und sicher auch nicht sollten. Klar, ein Slam-Text kann gesellschaftlich relevante Themen mit einem Augenzwinkern aufarbeiten und Menschen direkt oder indirekt einiges zum Denken mitgeben.
Aber macht es nicht auch Spaß, dem Gehirn eine politische Auszeit zu gönnen, die Sorgen hinter sich zu lassen und einfach nur eine gute Zeit zu haben? Auch das kann man mit einem Slam-Text wollen – und das ist ebenso legitim.
Jede*r ist frei zu schreiben was er*sie will. Auch das macht den Reiz und die Wundertüte Slam aus. Jemandem eine inhaltliche Richtung vorzuschreiben oder ein schlechtes Gewissen zu vermitteln, weil er oder sie einer vermeintlichen Verantwortung nicht gerecht wird, kann daher nicht der Weg der Wege sein.
Aber trotzdem…
„Unpolitisch sein, heißt politisch sein, ohne es zu merken.“ Dieser Satz von Rosa Luxemburg klingt mir immer wieder im Ohr. Für mich persönlich waren die politischen Texte und Möglichkeiten immer schon das Besondere am Slam. Zudem waren es insbesondere die politischen Texte, die mich geprägt haben und bin ich der Meinung, dass wir als Slam Poet*innen Verantwortung dafür tragen, was wir auf der Bühne präsentieren, egal ob unsere Message als politisch erkennbar ist oder nicht.
Die Schnittstelle Politik und Bühne ist keine, die wir unterschätzen sollten. In München beim Polit-Slam gehen Politiker*innen mit Texten auf die Bühne und treten gegen Slammer*innen mit politischen Texten an. Ein Format, dass viele anzieht, denen diese Texte gefallen und die es interessant finden, Entscheidungsträger*innen in einer für sie außergewöhnlichen Situation zu erleben. Die Slam-Bühne macht Politiker*innen nahbarer und lehrt sie, dass man Inhalte und Aussagen auch anders vermitteln bzw. transportieren kann.
Wir sollten uns immer wieder bewusst machen, wie mächtig Worte sein können. Slam-Veranstaltungen fungieren oft als Spiegel, der dem Publikum vorgehalten wird. Vielleicht geschah es angesichts der zunehmenden politischen Instabilität deshalb automatisch, dass die Slam-Szene in den letzten Jahren – zumindest gefühlt – politischer geworden ist. Eins ist klar: Sollte es je zu einer Revolution kommen, wird die Slam-Szene ihren Beitrag dazu geleistet haben.