31. August 2020

Teresas Tipps oder: Was Baby-Teresa hätte wissen sollen

Mein erster Slam-Auftritt fand im Oktober 2015 statt und war nur halb freiwillig. Ich hatte zuvor einen halben Slam gesehen, aus Versehen, wir sind einfach rein, ohne Eintritt zu bezahlen und ich hab den Mund nicht mehr zubekommen. Das war an meinem ersten Wochenende in Regensburg, noch vor dem ersten Tag an der Uni und wir wollten was erleben. Zwei Schulfreundinnen von mir, die wussten, dass ich Gedichte schreibe, haben mich noch an selben Abend für den nächsten Slam angemeldet, ohne mich zu fragen und dann vergessen, es mir zu sagen. Ich bekam also zwei Tage vor dem Slam den Newsletter – und Stand bereits im Line Up.

Mir war klar, dass ich jetzt entweder auftreten musste oder absagen und riskieren, dass ich nie wieder auftreten darf, weil ich unzuverlässig bin. Also schrieb ich, übte und las meinen Freundinnen vor und trank drei Beruhigungsschnäpse, damit ich mich auch traute, auf die Bühne zu gehen, als mein Name vorgelesen wurde (Alkohol vor Auftritten ist wirklich eine dumme Idee, man hört es immer sofort an der Stimme, macht das nicht).

Was ich erstaunlicherweise nicht getan habe: Poetry Slam googeln. Ich hatte so doll keine Ahnung, dass es bestimmt schon wieder niedlich war. Ich dachte, Poetry Slam gibt es nur in Regensburg. Ich dachte, deshalb kommen Leute von überall hier hin. Ich wusste nichts von Touren, Gagen und Backstages. Ich wusste nichts von Facebook-Gruppen und einer Szene. Und ich habe mich ganz lange nicht getraut, nachzufragen, weil ich alle Leute für viel schlauer, gebildeter, feministischer, emanzipierter und insgesamt erwachsener hielt als mich. Es hat fast zwei Jahre gedauert, bis ich das Gefühl hatte, nicht mehr „die Kleine aus Bayern“ zu sein, die sich durch Meisterschafen gemogelt hat – und das war zum Großteil meine eigene Schuld.

Hier also meine Tipps an 2015-Teresa und alle anderen, die sich fühlen wie sie.

1. Slam Poet*innen sind keine Übermenschen

Ich musste mich wirklich erst an den Gedanken gewöhnen, dass auch Slam-Legenden wie Sebastian23, Ninia La Grande oder Fee „nur“ Menschen sind, mit denen man ganz normal reden kann. Das Problem ist, dass man schwer mitbekommt, wenn einen andere als Übermenschen ansehen. Als eine U20erin mal zu mir sagte, dass sie nicht fassen kann, dass sie gerade mit Teresa Reichl spricht, musste ich erstmal lachen. Poet*innen sind Menschen, die (beruflich) auf Bühnen stehen – und das kann höllisch einschüchternd sein – aber wir sind eigentlich alle harmlos.

 

2. Es gibt keine dummen Fragen

Bei meinem dritten Auftritt haben sich im Backstage alle übers Queer-Sein unterhalten. Über cis het Männer, über das Patriachat und über intersektionalen Feminismus. Ich – komplettes Dorfkind – hatte keinen dieser Begriffe jemals zuvor gehört und hatte so doll Angst, zu fragen, dass ich lieber gar nichts gesagt und später gegoogelt habe. Was ein Quatsch! Seien es Fachbegriffe, wie man eine Rechnung stellt oder wieviel Gage man für etwas verlangen kann: Fragt einfach. Macht es nicht wie 2015-Teresa und kommt euch einen ganzen Abend lang dumm vor, anstatt einmal kurz nachzufragen. Ich frage bis heute andere Poetinnen, wenn ich Hilfe bei der Gagenverhandlung brauche – woher soll ich auch wissen, wie viel ich bei der Weihnachtsfeier des deutschen Vermögensberaterbundes verlangen soll?

 

3. Du musst gar nichts

Ich meine das, wie ich es sage. Du musst nicht krass auf Tour gehen, auch wenn du könntest. Vielleicht geht Schule oder Uni vor oder du willst gar nicht so viel auftreten. Du musst keine lustigen Texte schreiben, wenn du nicht willst. Du musst nicht mit zur Aftershow. Du musst keinen Alkohol trinken. Du musst nicht auftreten, wenn du dich nicht gut fühlst. Du musst keine bestimmte Art von Text vortragen, weil das von dir „erwartet“ wird. Es ist Poetry Slam. Du hast sechs Minuten Zeit, mit denen du tun kannst, was du willst.

 

4. Dir kann nichts passieren

Text vergessen, der Hosenstall offen, die Witze funktionieren nicht, Versprecher ohne Ende – ist mir alles schon passiert (danke auch an die Pressefrau, die ein Foto von mir mit offener Hose in die Zeitung geballert hat). Ist uns allen schon passiert, weil das normal ist. Kein Text dieser Welt ist so schlecht, dass das Publikum ihn sich merken würde, ganz zu schweigen von den okayen Texten. Dafür passiert viel zu viel bei einem Slam, viel zu viele verschiedene Leute und Texte. Das Schlimmste, was euch also passieren kann, ist, dass die Leute vergessen, wer ihr seid und was ihr zu sagen hattet – und zwar in dem Moment, in dem ihr von der Bühne geht. Und was macht das? Richtig: gar nichts. Ihr kommt mit einem anderen Text wieder, ihr schreibt um, ihr tüftelt, ihr lernt dazu. Und zwar solange, bis sie sich merken, wer ihr seid. Oder halt auch nicht, wenn ihr merkt, Slam ist doch nicht für euch. Auch kein Problem! Alles in allem ist es doch nur Poetry Slam.

 

Das ist also für Baby-Teresa und für alle, die sich angesprochen fühlen. Seid nicht wie Baby-Teresa (die durch alle Prüfungen gefallen ist, weil sie dachte, sie muss jeden Auftritt machen, der ihr angeboten wird). Seid schlau. Fragt nach. Sagt nein. Und habt Spaß, verdammt.