21. Mai 2018

Tough oder gar kein Poetry Slam: Warum zählt nur der maskuline Habitus?

Und was, wenn ich keine Lust auf diese Maskerade habe?

Tough = Maskulin, Zerbrechlich = Feminin

Diese Aufteilung fällt mir in der Szene immer mehr auf. In meiner Anfangszeit als Slampoetin dachte ich, ich müsse mich auch „maskulin“ geben, um meinen Platz finden zu können. Ich glich mich dem Klischee an, indem ich einen weder männlich noch weiblich konnotierten Künstlernamen wählte, laut war und darauf achtete, dass es an meinen Texten nichts gab, was mich auf irgendeine Art weich oder verletzlich erscheinen ließ. Ich wollte keine dieser jungen Frauen* mit einfühlsamen, hoch moralischen Texten sein, die sich – nach meiner damaligen Meinung – hinter ihrem Textblatt und ihrer Ernsthaftigkeit versteckten, um es nicht mit den Männern* aufnehmen zu müssen. Das ging sogar recht lange so, muss ich gestehen.

Ich selbst fühlte mich verdammt unwohl damit, mich so sehr zu verstellen. Nie hätte ich gedacht, das Toxic Masculinity ein Thema ist, das auch Frauen* betrifft. Jetzt weiß ich es ganz genau und es ist für uns genauso gefährlich wie für unsere männlichen* Kollegen.

Du musst gar nichts

Mittlerweile habe ich dazugelernt. Ich habe gelernt, zwischen Toughness und Maskulinität zu unterscheiden, denn diese Begriffe meinen nicht das Gleiche. Wir können für uns selbst definieren, was unserer Meinung nach tough ist und was maskulin ist und entscheiden, ob wir es ausleben wollen.  Das gilt für Slammer* genauso wie für Slammerinnen*, denn wir sind alle Individuen. Es wäre ziemlich doof und auch sehr langweilig, wenn wir alle gleich wären.

Ganz ich selbst zu sein, ohne Kompromisse: Das ist für mich Toughness. Ich bin da, verstelle mich nicht und wenn jemand ein Problem damit hat, ist es sein Problem und nicht meines.

Ein Zuschauer sagte mal zu mir, er fände eine bestimmte Slammerin nicht gut. Auf meine Frage hin, warum das denn so sei, erzählte er mir, sie gebe sich zu „girly“ und das sei eine ganz schlimme Sache. Ich bohrte weiter, warum das denn so schlimm sei. Seine Antwort war kurz und subjektiv: Er fände es eben unpassend.  Dieses Urteil war weder für mich, noch für die gemeinte Slammerin konstruktiv oder sonst irgendwie gewinnbringend und daher ziemlich unnötig. Aber anstatt mir deswegen einen Kopf zu machen, oder Girly-Sein sogar selbst als etwas Schlechtes abzutun, sah ich ein, dass diese Ansicht nicht meine war und weder mich, noch die besagte Slammerin beschäftigen musste.

 

Niemand kann das, was du kannst

Ein guter Freund aus der Szene hat mir in einem unserer zahlreichen nächtlichen Gespräche einen Satz mit auf den Weg gegeben, der mich zum Nachdenken angeregt und auch mein Selbstbild zum Positiven verändert hat:

„Du kannst zwar nicht, was die Anderen können; aber die Anderen können auch nicht, was du kannst.“

Seit ich mir das bewusstmache, geht es mir gut. Es fällt mir leichter, Texte zu schreiben, mit denen ich mich auch identifizieren kann und damit einfach ich selbst zu sein. Ich finde auch, dass sich viel mehr Menschen – Slammende und Nicht-Slammende – diesen Satz zu Herzen nehmen können, denn ich sehe noch immer zu viele, die sich (bewusst oder unbewusst) verstellen, um so maskulin wie möglich zu wirken, oder sich gegen andere zu behaupten.

Mir wurde auch schon erklärt, das sei so, weil Männer Frauen lieber als Publikum hätten, als umgekehrt. Das kann man nicht pauschal so sagen. Natürlich gibt es auch solche, aber denen können wir nichts entgegensetzen, indem wir uns genauso verhalten, wie sie. Der einzige Weg, uns Raum zu schaffen, ist uns Raum zu nehmen – auf unsere individuelle Art und Weise.

Zudem kenne ich viele Künstler*, die es als selbstverständlich ansehen, dass wir Frauen* nicht nur am Rand stehen und anfeuern, sondern selbst mitmischen. Von denen wünsche ich mir noch viel mehr, denn wenn Menschen einander einfach nur als Menschen akzeptieren und die gegenseitige Akzeptanz nicht vom jeweiligen biologischen, sozialen oder öffentlich verkörperten Geschlecht abhängig machen, wird einiges schöner und besser.

Leider glaube ich, dass ein männlicher Habitus noch lange an der Tagesordnung bleiben wird, solange das aktive Bild des Mannes (Er macht Karriere, Er schafft Kunst, Er macht Sport, usw.) in der Gesamtgesellschaft immer noch dem passiven der Frau (Sie sieht ihm dabei zu) gegenübergestellt wird.

Leute, tut euch bitte selbst einen Gefallen und tut das, was euch glücklich macht. Nur so könnt ihr auf Dauer bestehen und gesund bleiben. Ich habe meine Mitte gefunden und ihr könnt das auch. Das kann manchmal schwer sein, aber es ist möglich.