Female Power im Deutschrap – meine TOP 10
Das überpräsente Chauvinismusgehabe der meisten Rapper wirkt auf viele Frauen* nicht gerade verlockend oder gar abschreckend. Gerade deswegen ist es so wichtig, dass female MCs gehört und supportet werden oder dass wir zumindest wissen, dass es sie gibt und dass sie es mindestens genauso drauf haben.
Es geht nicht darum, alle Rapperinnen* aus Prinzip cool zu finden, aber darum, sie zu supporten und die weibliche Präsenz in einer weiteren männerdominierten Szene anzuerkennen.
Hier sind 10 Frauen, bei denen es sich definitiv lohnt, mal reinzuhören. Ob sie es dann in eure Lieblingsplaylist schaffen oder nicht, sei dahingestellt. Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, das sind längst nicht alle – es werden immer mehr. Gut so!
Antifuchs
Sie trägt eine Maske und bezeichnet sich selbst als Rapper (sic!), weil ihr die betonte Geschlechterunterscheidung ziemlich auf die Nerven geht und sie nicht anders bewertet werden will als männliche Kollegen. Ihr signature move ist neben der Fuchsmaske der Mittelfinger, ihre Antihaltung Grundeinstellung. Die Tracks handeln viel von Weed und Rap und treffen technisch voll ins Schwarze. Sie rappt schon ewig und weiß ganz genau, dass sie lange underrated wurde – ihr gerade erschienenes Debutalbum „Stola“ macht das nochmal deutlich: Sowohl thematisch, als auch musikalisch präsentiert sie eine breite Palette und beweist wiederholt, dass sie zurecht immer mehr gehyped wird.
Yasmo
Wir kennen und lieben sie alle, die Queen aus Wien. Nicht nur auf Slambühnen, mit DJ auf Beats oder mit einer unglaublichen Big Band im Rücken überzeugt sie live genauso wie auf Platte (3 mittlerweile! BAM!). Mit ihrer starken Bühnenpräsenz und ihren eindrücklichen poetischen und politischen Texten ist sie inzwischen als Yasmo & die Klangkantine in Dauerschleife auf FM4 zu hören und hat Fans, die weit über die Rapszene hinausgehen. Außerdem verwandelt sie mit Band jeden Konzertsaal und jedes Festival, auf dem sie spielt, innerhalb kürzester Zeit zu einer riesigen Sause, bei der niemand mehr still steht – nicht nur dafür: 1000!
Fatima Moumouni
Auch diese großartige Frau kennen und lieben wir alle. Wie könnte es auch anders sein? Schon bei der U20 Meisterschaft vor 7 Jahren hat die 17-jährige Fatima bei meinem 19-jährigen Ich für Ganzkörpergänsehaut gesorgt. Sie schafft es mit ihrer einzigartigen Ausstrahlung und eindrücklichen Texten, die (Slam- oder Rap-) Bühne komplett einzunehmen und mit ihrer Präsenz den ganzen Raum zu füllen. Auf die gute Art. Auf die verdammt gute „Fuuuuuck, was passiert hier gerade?“-Art. Die „Gefühle EP“ 2015 mit Yasmo als „dies das so“ war einfach nur episch und gehört sowas von zum Slam Alphas Soundtrack dazu. Fatima Moumouni ist ein Multitalent, wenns uuuunbedingt sein muss, dann teilen wir sie eben auch mit der Rapszene, in der Hoffnung bald wieder mal was von ihr hören zu dürfen! Ebenfalls 1000!
Haszcara
Entdeckt durch ein Feature mit Waving the Guns und direkt ausgecheckt und für gut befunden. Zugegeben, ich bin generell geflasht, wieviel linkspolitischen Rap es tatsächlich gibt, der leider oft eher unterm Radar der breiteren Deutschraplandschaft bleibt. Haszcara hat z.B. beim Videobattle Turnier VBT mitgemacht und wird auch in ihren Tracks nicht müde, ihre Position und klare Haltung gegen Rassismus, Sexismus und Homophobie immer wieder zu betonen – zum Glück!
Lena Stöhrfaktor
Apropos linker Deutschrap: Lena Stöhrfaktor spittet so dope, dass ich mir die teilweise niedrigen Klickzahlen auf Youtube nur durch ihre polarisierenden politischen Texte und ihr geringes Interesse an Selbstvermarktung erklären kann. Da es folglich kaum Informationen über sie gibt, lass ich sie besser mal für sich selbst sprechen:
„Suche nach Gleichheit / doch check ich die Lage / ’seh ich nur Könige und Untertanen / schade / nehm dir das denken nicht ab / wenn du willst kommst du mit / die betonung auf FAK / Lena Stöhrfaktor / unabhängig von der Passform / wenn dir das zu deep ist / du nur konsumieren willst / dann such dir ’nen Führer oder Agitator / irgendein Arschloch / das dir sagt, was du denkst, was du fühlst, was du machst / aber wir haben nie in das Raster gepasst / wenn du willst kommst du mit / die Betonung auf FAK“
Ich komme gerne mit, Lena!
Sookee
Wer kann sich noch an die Zeiten erinnern, in denen Sookee noch im Substanz Line Up stand? Slam macht sie mittlerweile (leider) nicht mehr, dafür konzentriert sie sich umso mehr aufs Rappen. Kaum ein*e andere*r MC setzt sich so für Feminismus und gegen Diskriminierung in all ihren Facetten ein. Sie hinterfragt Missstände nicht nur innerhalb des Rap-Kosmos mittels ihrer Tracks, Interviews und Konzerte – Sookee schreit laut auf, wenn ihr was nicht passt, sie lässt sich nichts gefallen und kämpft kompromisslos für mehr Toleranz. Sie war z.B. das Gesicht der #no120db Kampagne, bei denen auch einige Alphas mitgewirkt haben.
SXTN
Die zwei Powerfrauen aus Berlin sind wohl in den letzten 2 Jahren so rapide steil gegangen, wie kaum ein anderer Act in der Deutschrapszene. „Mit Pennerklamotten auf’m letzten Splash / wir hatten kein Cash / und ihr wolltet es alle nicht wahrhaben / doch wir sind kein Trash!“ heißt es auf dem aktuellen Feature „Tabledance“ mit Schwesta Ewa. Viel Party, viel Gras, Asi-Lifestyle, obszöne Sprache und Scheiß-auf-alles-(inkl. Schule)-Mentalität – nicht unbedingt die beste Vorbildfunktion für die teilweise sehr jungen Fans. Auch manche Features lassen sich inhaltlich nicht unbedingt nachvollziehen, aber abgesehen davon scheinen sie ganz genau zu wissen, was sie können und was sie wollen und haben ihren eigenen Umgang mit Feminismus: Plakativ, aber direkt, wie z.B. mit Songs wie „Er will Sex“ oder „Deine Mutter“.
Schwesta Ewa
So umstritten die Diskussion über die Legalisierung von Prostitution, so gehen auch die Meinungen über Schwesta Ewa auseinander. Die ehemalige Sexarbeiterin musste sich auch schon vor Gericht gegen schwere Vorwürfe rechtfertigen und thematisiert ihre persönliche Vergangenheit (und Gegenwart) auch in ihren Songs. Etwas befremdlich ist es schon, wenn ein Raum voller Menschen, davon ca. 70% Männer, sie auf eigenen Wunsch mit „Kurwa, Kurwa!“ auf die Bühne grölt, aber wie immer gilt: Wenn sie Bock drauf hat… Rappen kann sie außerdem auch und wird vor allem wegen ihrer direkten und authentischen Art respektiert.
Eunique
Die Hamburgerin ist eine der wenigen in dieser Liste, die es neben SXTN ebenfalls geschafft hat, innerhalb kürzester Zeit kommerziell extrem erfolgreich zu werden. In Zeiten von Trap Beats und Autotune kommt sie genau richtig um die Ecke, mit einer wahnsinnigen Power und einer unverwechselbaren Attitude. Sie hat einen eigenen Vlog, dessen Name „Becoming Eunique“ schon alles sagt. Einblicke in hartes Fitnesstraining, Vocalcoaching und Vermarktung zeigen deutlich, wieviel Arbeit dahintersteckt, die Marke Eunique aufzubauen. Ob es das gebraucht hätte, darf angezweifelt werden. Denn auch ohne Körperbau Barbiepuppe würde sie nicht weniger dope rappen – aber das weiß sie ganz bestimmt auch selbst.
Haiyti
Vor 2 Jahren, noch vor „Mafioso“ und „100.000 Fans“, als der Struggle noch real war und der Trainingsanzug nicht von Gucci, sang sich Haiyti mit in mein kleines Trash Herz. Vor allem die Zusammenarbeit mit Kitschkrieg hat’s mir sehr angetan, die darauffolgenden Features mit Leuten wie Money Boy aka Why SL Know Plug hätten hingegen nicht unbedingt sein müssen. Auch wenn der tiefere Sinn vor allem bei den aktuellen Texten schwer zu erschließen ist, bleibt sie ein Lichtblick in der, für mich persönlich, eher dunklen Landschaft von neumodischem Trapshit. Auch wenn ihre Entwicklung sie eher von mir wegbewegt hat, sei ihr der steigende Bekanntheitsgrad und das Abholen vieler verlorener Autotune-Seelen gegönnt.
10 weitere Power Frauen findet ihr in dieser Liste: https://www.br.de/puls/musik/aktuell/fuenfzehn-rapperinnen-die-ihr-kennen-solltet-100.html
Viel Spass beim Reinhören!