Kuhstallkind und Slam Poetin – wie sich Bauernleben und Bühnendasein kombinieren lassen.
Zwischen weiten grünen Wiesen und großen, dunklen Wäldern. Zwischen gefleckten Kühen und braunen Pferden. Zwischen rollenden Güllefässern und rostigen Mistgabeln – da lebe ich. Wie der Name meines Dorfes „Dohrgaul“ schon sagt, lebe ich mit meinem eigenen Gaul, Hühnern und Kühen sehr abgelegen von guten Bus- oder Bahnverbindungen, beständigem Internet und Hipster-Hochburgen. Für ein typisches Dorfkind wie mich ist es gar nicht so leicht, Anschluss und regelmäßige Auftrittsmöglichkeiten in der Szene zu finden.
Mobilität: Wenn ein eigenes Auto dein Leben verändert
Dank des Erreichens meines achtzehnten Lebensjahres und dem Besitz eines eigenen Autos, bin ich mittlerweile relativ flexibel und selbstständig unterwegs. Trotzdem hatte und habe ich immer wieder das Gefühl, in der breiten Masse der Großstadtmenschen unterzugehen. Ich bin nicht „mal eben“ in Düsseldorf, Dortmund oder Bochum. Am Wochenende fahren bei mir nämlich keine Busse und am späten Abend kommt man bei uns nur mit Fahrrädern, Traktoren, Pferden oder eben Autos ans Ziel. Also bin ich hundertprozentig auf mein Eigentaxi angewiesen. Damit bin ich dann zwar schon meistens innerhalb von 1-2 Stunden am Veranstaltungsort, aber scheine doch nicht ganz so leicht abrufbar wie manch andere Einheimische.
Meistens muss ich mich nachmittags beim Stall ausmisten, Reiten und Futter vorbereiten beeilen, um pünktlich beim Slam zu sein. Nicht nur einmal kam ich dabei kurz vor knapp an und musste mich logischerweise für meine Unpünktlichkeit rechtfertigen. „Sorry, ich musste noch eben Heu abladen“ oder „Entschuldigung, mein Pferd wollte sich nicht auf der Wiese einfangen lassen“, habe ich mir dann verkniffen. Solche Rechtfertigungen sind nicht gerade üblich und könnten auf Unverständnis treffen.
Wann habe ich angefangen zu slammen und welche Auftrittsmöglichkeiten kann ich wahrnehmen?
Vor drei Jahren habe ich angefangen auf Poetry Slam Bühnen meine Gedanken zu teilen. Damals war ich 15 Jahre alt und musste Freund*innen und Familie um Mitfahrgelegenheiten anbetteln. Ohne Fahrtkostendeckung war das meistens problematisch und ich zahlte nicht nur einmal die Spritkosten meiner Bekannten selbst. Schreibtische oder spontane Treffen in entfernten Großstädten sind immer noch kaum möglich für mich: Fahrtkosten und Zeitaufwand hindern mich, an diesen Angeboten teilzunehmen.
In diesen letzten drei Jahren habe ich superviele wertvolle Erfahrungen gemacht, Freund*innen kennengelernt, Persönlichkeitsentwicklungen gemeistert und auch Siege in die Tasche gesteckt. Trotz allem habe ich oft das Gefühl, außen vor zu bleiben. Ich werde wenig eingeladen und habe den Eindruck von den Großstadtslammaster*innen nicht wahrgenommen zu werden.
Muss ich in die Stadt ziehen?
Ich liebe meinen Bauernlifestyle und möchte meine Tiere und die Hofarbeiten nicht missen. Daher steht es für mich auch nicht zur Debatte, in die nächstgelegene Großstadt zu ziehen.
Nun gut. Was mache ich also, wenn ich auf dem Land lebe und mein Herz für Poetry Slam schlägt?
Meine Tipps, um Dorf- und Bühnenkind in euch am Leben zu halten, sind: Ein gut geführter Terminkalender, Ansprechen und Vorstellen bei Slammaster*innen auf Veranstaltungen, gutes Vernetzen, in Erinnerung rufen, dass es euch gibt und ihr Bock auf Auftritte habt, das Anschaffen eines eigenen Autos oder zuverlässige Mitfahrgelegenheiten und Bitten um Verständnis.
Ein dichtbesetzter, gut strukturierter Terminkalender hat mir schon oft geholfen, meinen vollgestopften Tagesablauf zu managen und meine beiden Lieblingstätigkeiten so aneinander vorbei zu bringen.
Was wünsche ich mir von der Szene?
In erster Linie wünsche ich mir Rücksicht und Verständnis. Ich habe die Menschen auf und hinter Bühnen immer als sehr offen, herzlich und tolerant wahrgenommen. Unpünktlichkeit ist aber nicht gerne gesehen. Anstelle eines „Da bist du ja endlich!“, könnte ein „Schön, dass du es geschafft hast“ oder „Ich habe dich nach hinten ins Line-up gelost, alles gut“ stehen.
Selbstverständlich ist es einfacher, Poet*innen von nebenan anzufragen, aber uns Dorfkinder gibt es auch. Wir kommen gerne zu euch und liefern ab, wenn ihr uns die Chance dazu gebt.