18. März 2019

Auf Bier und Schnaps mit… MERAL ZIEGLER

In dieser Interviewreihe wird Slammer_innen von mir in einer entspannten Atmosphäre gnadenlos ehrlich auf den Zahn gefühlt.

 

Katja: Liebe Meral, erstmal herzlichen Glückwunsch zu 10 Jahre Slam! Natürlich interessieren mich gerade jetzt besonders deine Anfänge. Wo hattest du denn deinen ersten Slamauftritt?

Meral: Ja, vielen Dank erstmal – 10 Jahre! Unfassbar, dass ich das schon so lange mache! Mein erster Slamauftritt war auf einem Hausboot in Hamburg. Mein Text hatte auf jeden Fall was sehr Pathetisches, es war ein Gedicht und ging auch nur so 3 Minuten. Dafür war dann jeder Satz mit Metaphern geschwängert. Dieser erste Auftritt war auch der erste Poetry Slam, den ich überhaupt besucht habe. Ich kannte das Format noch nicht mal.

 

Und wie viel Geld müsste ich dir geben, damit du deinen ersten Text heute noch mal auf ‘ner Bühne performst?

Oh Gott, ich glaube da müsstest du ein bisschen was hinblättern. Vor allem wegen der Scham und weil mir danach definitiv Auftritte flöten gehen würden (lacht).

 

Wie haben sich denn deine Texte im Laufe der letzten 10 Jahre verändert?

Die Veränderung ist in der Retrospektive betrachtet natürlich mega krass! Ich bin vom Lyrischen irgendwann abgekommen. Anfangs habe ich mich an Texte nur mit der Verwendung von 1000 Metaphern herangetraut, ich habe regelrecht nach Wortspielen gesucht. Ein wichtiger Umschwung ergab sich dann jedoch relativ schnell: meine Texte brauchten mehr Aussage. Also kann man sagen, ich bin von der Schönheit und dem Klang der Sätze ein bisschen abgekommen und bin mehr dazu übergegangen, in 5 Minuten Text auch mal was zu sagen. Ich muss gestehen, dass es mir im Moment zunehmend schwerer fällt, Slamtexte zu schreiben. Schuld daran ist vor allem der Zeitfaktor. Neben dem Studium noch produktiv zu sein, ist anstrengend. Und auch die oftmals gewünschte Pointendichte zu kreieren, ist schwierig. Man weiß ja mit der Zeit auch, was ein „Publikumspleaser“ ist und ich kann mittlerweile besser im Schreibprozess erkennen, ob mein Text bühnentauglich wird oder eben nicht.

 

Viele deiner Texte haben eine feministische Message. Braucht Slam Feminismus?

Definitiv braucht Slam noch viel mehr feministische Texte und Texte aus feministischer Perspektive. Vor allem, weil das Thema noch nicht in seiner Gänze beleuchtet wurde. Ich finde, dass man sich hier auch mal einen Ansatz suchen muss, der interessant und originell, bzw. vielleicht auch nicht immer nur ein Rundumschlag des Themas ist, sondern auch mal in die Tiefe geht. Wenn ich einen Text mit feministischem Thema schreibe, ist es mir wichtig, dass dieser dann nicht nur an der Oberfläche kratzt.  Die Herausforderung ist hier, keine wissenschaftliche Abhandlung zu schreiben, sondern es mit Schmiss rüberzubringen. Wichtig ist noch zu sagen, dass Frauen mit feministischen Slamtexten leider –im Gegensatz zu Männern mit feministischen Werken – vollkommen unterbewertet und ihre feministischen Belange oft auch belächelt oder zur Seite geschoben werden. Hier wird oftmals gar nicht mehr hingehört, was gesagt wird, sondern lamentiert, dass es doch schon zahlreiche Texte zum gleichen Thema gäbe. Ich merke das auch im Nachhinein, wenn jemand aus dem Publikum zu mir kommt und sagt „Habe ich schon tausendmal gehört, warum redest du denn noch darüber – das ist doch schon over“ und man fragt die Person, warum sie so denkt und merkt, dass sie gar nicht verstanden hat, was ich da gesagt habe. Sie hat mir nämlich einfach nicht zugehört. Nicht falsch verstehen – ich finde es toll, wenn auch Männer feministische Texte schreiben. Jean-Philipp Kindler ist meiner Meinung nach einer der wirklich wenigen Männer der Slam Szene, der es geschafft hat, auch aus männlicher Sichtweise einen wirklich sehr guten feministischen Text zu verfassen.

 

Es ist Zeit für ‘ne Schnapsrunde, welchen hättest du denn gern?

Nen Pfeffi find ich gut!

 

Prost!

Liebe Meral, Hand auf Herz, was nervt dich an Slam denn am meisten?

Gute Frage (lacht)! Ich habe eine Sache, die mich richtig stört: wenn Texte am Ende eines Vortrages zusammengefasst werden. Das finde ich extrem schwierig. Vor allem wenn ein Text komplex ist, ist es schon nicht so einfach, das Ganze in einem Satz, geschweige denn in einem Wort zusammenzufassen. Wenn dann beispielsweise nach einem meiner Texte nur der Satz fällt „Meral hat über ihren migrantischen Background gesprochen“ oder das Wort „Migrationshintergund“, dann ist das einfach total furchtbar. Da wird alles, über was ich gesprochen habe, einfach missachtet. In dem besagten Text geht es darum, dass der Begriff „Migrationshintergrund“ problematisch ist und dann wird er einfach so benutzt und stellt einen total negativ konnotierten, viel zu verallgemeinernden Sachverhalt dar und verfälscht das, was ich sagen will. Der Text heißt „Striptease“.

 

Und was liebst du an Slam?

Ich mag einfach das Auftreten gerne. Das bringt mir enorm Spaß und ich liebe es, wenn da ein Publikum sitzt, was begeisterungsfähig und offen ist und auch Bock hat mitzudenken.

 

Hast du ein besonderes Slam-Highlight?

Es gibt so Slams in großen Häusern, die einen natürlich voll pushen, aber welche Slams ich auch richtig geil finde, sind Festivalslams! Und vor allem liebe ich den Slam auf dem Dockville-Festival! Es macht immer Spaß, da zu sein, auch wenn man aufgrund der vorgängigen Festivaltage immer super durchgerockt ist. Man ist dann immer in so einer richtigen Feierstimmung und Teil des Pulks.“

 

Zum Abschluss noch eine letzte Frage. Welche Projekte stehen bei dir als nächstes an?

Auf lange Sicht habe ich schon mal Bock ein Buch zu veröffentlichen, aber worauf ich mich jetzt als Nächstes stürze, ist, dass ich seit neustem Mitglied in der Redaktion des neuen Slam-Magazins „Bühnen.Texte“ (Lektora-Verlag) bin. In der ersten Auflage war ich noch Interviewpartnerin und nun kann ich mich dort auch selbstverwirklichen. Das freut mich extrem.

 

Vielen lieben Dank Meral für die nette Abendgesellschaft. Ich wünsche dir weiterhin so viel Erfolg und tolle, ehrliche Texte.