31. März 2019

Wie Worte im Wandel Waffen sein können – ein Fallbeispiel aus Indonesien

Sie können eine Revolution starten, sie können Menschen Gemeinschaft geben und ich glaube stark daran, dass sie zu guter Letzt die Welt verändern können.

Am anderen Ende der Welt

Als ich im August 2018 in Jogjakarta (Indonesien) ankomme, ist alles sehr neu und aufregend für mich. In diesem unbekannten Land werde ich nun sechs Monate lang studieren und diese sechs Monate werden mir erneut zeigen, was Worte anrichten können. Schnell stelle ich vor Ort fest, dass viele Indonesier*innen eine tiefe Liebe für Poesie empfinden und gerne schreiben. Ich stelle allerdings auch fest, dass es kaum Bühnen gibt, auf denen man das Geschriebene präsentieren kann. In dem Land mit über 260 Mio. Einwohner*innen gibt es im August 2018 exakt zwei Lesebühnen/Poetry Slams: Einen in der Hauptstadt Jakarta und einen auf Bali (die rosa Blase Indonesiens).

Ab auf die Bühne mit euch

Mir spielt in die Karten, dass ich in der Uni nicht so viel zu tun habe und ich mich daher auf andere Projekte fokussieren kann. Durch sehr viel Glück lerne ich genau die richtigen Menschen kennen, die Bock auf Poesie haben. Schnell steht der Entschluss: Jogjakarta braucht ebenfalls eine Bühne. Für den sanften Einstieg in das Präsentieren von Texten gründe ich gemeinsam mit einem Team aus Internationals und Indonesier*innen die Lesebühne Unveiled Jogjakarta.

Was dann passierte, war wie eine Lawine (eine gute, keine menschenverschüttende), mit der wir so schlicht und ergreifend nicht gerechnet hatten.

Die Bühne scheint mir der Treffpunkt von Kunst und Leben zu sein. – Oscar Wilde

Unsere Bühne wurde vom ersten Event an zu einem Treffpunkt, wo das Leben kunstvoll dem Publikum entgegen geschrien wurde. Denn Indonesien ist ein Land, das leider seine Schwierigkeiten mit Gleichberechtigung, Akzeptanz von Homosexualität oder Akzeptanz von mentalen Problemen hat (es gibt unglücklicherweise noch weitere Baustellen: bei mehr Interesse findet ihr hier einen Überblick über die Lage). Unveiled Jogjakarta entwickelte sich zum Sprachrohr der jungen und alten Rebell*en*innen. Da war die junge Frau mit Hijab, die wunderbar erklärte, warum gerade sie eine Feministin sei. Der junge Mann, der offen über suizidale Gedanken dichtete. Die Frau, die erklärte, wie es ist, in Indonesien eine Frau zu lieben. Dieser Mut der Poet*innen beim ersten Event, führte dazu, dass bei den darauffolgenden Spoken Word Events immer mehr Powerfrauen und -männer auf die Bühne traten und wortwörtlich Tacheles redeten. Die Menschen im Publikum merkten: Hey, da sind ja noch andere, die so denken wie ich! Nach unseren Events wurde daher immer noch lange über Feminismus, Gleichberechtigung, Diversität und vieles mehr diskutiert. Und als Sahnehäubchen entstanden daraus Communities (wahre Gangs), viele neue Freundschaften und ein Tatendrang, die Welt durch Worte zu verändern.

Mehr Bühnen für mehr Revolution

Nach der Gründung der Bühne in Jogjakarta hat nun noch eine weitere Stadt in Indonesien nachgezogen und es wird tatsächlich schon von Nationalen Meisterschaften 2020 gemunkelt. Wie cool ist das denn?

Was können wir daraus mitnehmen? Lasst uns weiterhin fröhlich Poetry Slams und Lesebühnen gründen, damit wir weiterhin die Welt mit unseren Worten verändern und inspirieren. Es mag vielleicht naiv klingen, aber wenn wir letztlich auch nur eine Person anstecken, dann haben wir doch irgendwie schon etwas ganz Großes erreicht.