2. Dezember 2019

Auf Tee und Kekse mit… Lisa Christ

In dieser Interviewreihe wird Slammer_innen von mir in einer entspannten Atmosphäre gnadenlos ehrlich auf den Zahn gefühlt.

Katja: Liebe Lisa, diese Interviewreihe heißt normalerweise „Auf Bier und Schnaps mit…“. Dabei ist es ja vollkommen egal, auf was wir uns hier treffen, Hauptsache es ist eine entspannte Atmosphäre. Du hattest mir bei meiner Anfrage direkt gesagt, dass du gerade eine kleine Alkoholpause einlegst und deshalb treffen wir uns heute hier über Web auf Tee und Kekse. Das finde ich gut. Darf ich dich fragen, was der Hintergrund für diese Alkoholabstinenz ist?

Lisa: Das ist für mich eigentlich keine große Sache. Solche alkoholfreien Zeiten lege ich öfter mal ein. Ich habe gemerkt, dass sich die Gelegenheiten zum Alkoholtrinken jetzt wieder häufen. An 5 von 7 Tagen in der Woche bin ich gerade unterwegs. Es gehört auch irgendwie ein bisschen zum „guten Ton“ während oder nach Veranstaltungen noch gemeinsam was zu trinken. Ich trinke gern Alkohol, merke aber, dass das oft unnötiger Weise passiert.

 

Ja, ich kenne auch diesen sozialen Druck, der dann nach Veranstaltungen oftmals herrscht. An dieser Stelle möchte ich auf den erst kürzlich erschienenen Slam Alphas Blogbeitrag von Trisha Radda verweisen, der das Thema Slam und Alkohol wunderbar durchleuchtet. Kommen wir nun zu dir selbst. Ich bin mega erstaunt gewesen, wie lange du schon slammst. 12 Jahre! Und dabei bist du immer noch sehr aktiv in der Szene. Wie kommt es, dass du immer noch so doll Bock auf Slam hast?

Ich muss schon sagen, dass das reine Slammen weniger geworden ist, das liegt vor allem daran, dass ich nun auch andere Dinge machen kann, die lukrativer sind. Aber für mich war es nie ein Thema der Szene den Rücken zuzukehren, weil ich diese Szene einfach so unglaublich liebe. Ich habe mit 16 Jahren angefangen zu slammen und Slam ist gerade da in mein Leben gekommen, als ich das wirklich total gebraucht hatte. Er hat mich damals wirklich gerettet und mein Selbstwertgefühl aufgebaut, in einer Zeit, in der es mir nicht gut ging. Und ja, ich mach das mittlerweile seit 12 Jahren, allerdings muss ich dazusagen, dass ich in den ersten 2 Jahren auch nur sehr wenige Auftritte hatte. Slam war damals ja auch viel kleiner und es gab weniger Auftrittsmöglichkeiten. Ich bin der gesamten Slam-Szene heute so dankbar, dass sie mich von Beginn weg gefördert und unterstützt hat.

 

Jetzt bist du ja in einer behüteten Schweizer Slam-Szene aufgewachsen. Wann bist du denn das erste Mal ins deutschsprachige Ausland getourt und wie war das?

Meine erste Tour in Deutschland, an die kann ich mich noch sehr gut erinnern, war die Hessentour bei Lars Ruppel. Das war auch schon relativ zeitig, da muss ich 18 gewesen sein. Das Tour-Leben damals war natürlich kein Vergleich zum heutigen „Einzelzimmer in Hotels und Sushi im Backstage“-Abhängen. Wir haben alle in Lars‘ riesiger WG in Marburg geschlafen, nachdem wir zu viert mit dem Auto einen Road-Trip aus der Schweiz angetreten sind. Aber auch aufgrund dieser tollen Erfahrung habe ich mich dann in diese Szene verliebt.

 

Kannst du dich noch an deinen allerersten Slamtext erinnern und wie viel Geld müsste man dir geben, damit du ihn heute noch mal ernsthaft auf einer Bühne machen würdest?

Oh Ja! Meinen ersten Slamtext habe ich gar nicht mal so oft gemacht. Der hieß „Oberflächlichkeit siegt“ (lacht) und den würde ich unter keinen Umständen auf einer wichtigen, ernstzunehmenden Bühne heute noch mal performen. Der Text war jetzt nicht mega schlimm, aber sehr pathetisch.

 

Wie haben sich denn deine Texte im Laufe der letzten 12 Jahre verändert?

Ich bin jetzt seit 2 Jahren selbstständig und ich finde, dass ich gerade in dieser Zeit die größte Entwicklung durchlaufen habe. Vorher habe ich das eher als Hobby und so nebenbei gemacht und dadurch, dass ich noch so furchtbar jung war, waren es zu Beginn auch mehr so schwülstige Teenagertexte. Dann habe ich aber auch relativ schnell gemerkt, dass ich auf der Bühne witzig sein kann und das war irgendwie sehr geil. Ich habe gelernt, Texte so zu schreiben, dass sie beim Publikum funktionieren und merkte aber schnell, dass es nicht mein Ziel ist, Werke nur zum Gefallen, nur für das Publikum zu schreiben. Meine Texte müssen in allererster Linie mich selbst interessieren. Außerdem haben sich die Themen meiner Slam-Texte auch verändert, vor allem, weil sich meine Perspektive geändert hat. Mittlerweile traue ich mich auch mit Ironie und Satire zu arbeiten, wovor ich jahrelang eher Respekt hatte.

 

Ich finde deine Entwicklung wirklich sehr beeindruckend und konnte dich über die Jahre ja auch oft auf Bühnen beobachten. Einmal, das weiß ich noch, waren wir zusammen beim Slam in Zürich und dein Vater war im Publikum. Wie geht deine Familie mit deiner Bühnenpräsenz um und ist es dir unangenehm vor Menschen zu slammen, die du aus deiner Heimat kennst?

Meine Eltern finden das, was ich mache, super, sie unterstützen mich dabei und stehen voll hinter mir. Wenn allerdings viele Menschen im Publikum sitzen, die ich persönlich kenne, bin ich immer ein bisschen nervöser. Ich bin demnächst z.B. mit meiner Solo-Show in Olten, meiner Heimatstadt. Das wird schon aufregend werden. Ich freu mich drauf, zu zeigen, dass ich mittlerweile an einem anderen Punkt angekommen bin, mich weiterentwickelt habe und trotzdem werde ich nervös sein, wenn da Leute sind, die mich noch von früher kennen – oder sich eventuell auch selbst in meinen Texten wiedererkennen könnten.

 

Es ist Zeit für ‘ne Tasse Tee!

Ja, ich habe mir hier ne ganze Kanne bereitgestellt!

Prost!

Liebe Lisa, du hattest das unfassbare Glück zweimal schon im Einzelfinale der deutschsprachigen Meisterschaften zu stehen. Wie war das für dich und vor allem für dich als eine der wenigen Frauen*, die da leider bisher stehen durften?

Mit Fatima Moumouni 2016 in Stuttgart und Tabea Farnbacher 2018 in Zürich stand neben mir immer nur eine weitere Frau im Finale der Meisterschaften. Ich habe tatsächlich danach mal recherchiert und eine Liste aufgestellt von Frauen, die bisher im Einzelfinale der deutschsprachigen Slam-Meisterschaften waren und das ist doch sehr ernüchternd gewesen. In Stuttgart war ich so aufgeregt, dass ich dir dazu gar nichts mehr sagen kann (lacht). In Zürich 2018 bin ich u.a. mit Tabea zusammen im Taxi zur Location gefahren und da gab es schon eine bestärkende Verschwesterung bei uns beiden. Das war ein richtig guter Spirit, so hinter der Bühne.

 

Nach so vielen Jahren und so vielen Erfahrungen, kannst du heute sagen, was du an Slam am meisten magst?

Die Szene. Die Menschen. Ich habe so viele tolle Menschen kennengelernt und habe das Gefühl, Teil einer Community zu sein, die sich um sich kümmert und sich versucht zu entwickeln. Natürlich haben wir alle Fehler, die eine Gesellschaft auch hat, das darf nicht verschwiegen werden. Aber ich fühle mich in dieser Gemeinschaft aufgehoben und das ist etwas Unbezahlbares.

 

Das klingt sehr schön. Poetry Slam konntest du ja auch ein wenig als Sprungbrett nutzen. Du hast ein Buch veröffentlicht („Im wilden Fruchtfleisch der Orange“), seit diesem Jahr tourst du mit deinem ersten abendfüllenden Soloprogramm, schreibst satirische Beiträge für’s Radio und moderierst auf SFR1 die „Comedy Talent Show“. Macht es einen Unterschied für dich, auf Fernsehbühnen aufzutreten?

Die Fernsehbühne hat sich fast schon wie eine Slam-Bühne angefühlt, weil es eine Aufzeichnung war, bei der sich die Kameras recht weit weg befanden und weil es ein Live-Publikum gab. Aber klar, aufregend ist das Ganze schon. Vor allem weil die Reichweite natürlich jetzt eine andere und größere ist. Ich wäre nie selbst draufgekommen, dass ich sowas könnte, aber anscheinend kann ich das! Das kann man ja oftmals auch gar nicht beeinflussen, ob man durch so eine Mattscheibe noch gut funktioniert.

 

Und zu diesem ganzen Vollzeitprogramm gehörst du auch noch zu unserem Slam Alphas Vorstand! Wie siehst du denn die Zukunft der Slam Alphas?

Ich würde mir wünschen, dass sich Menschen noch besser und mehr über unsere Plattform vernetzen könnten. Ich hoffe, dass es sich dahin entwickelt, dass der Zusammenhalt unter Frauen* größer wird. Ich merke ja auch, wie sich das in den letzten Jahren schon verändert hat. Ich selbst habe viel mehr Kontakt mit Slammerinnen* und es wird viel mehr drauf geachtet, ausgeglichene Line-Ups zu buchen. Ich wünsche mir, dass wir alle aus der Gemeinschaft heraus Stärke gewinnen können.

 

Vielen lieben Dank Lisa für diese kleine Teerunde. Ich wünsche dir weiterhin so viel Erfolg und tolle, witzige, satirische Texte auf kleinen Slam und großen Fernsehbühnen.