Slam & Co. – 10 Veranstaltungsformate (Teil I)
Slam ist nicht gleich Slam. Denn das bewährte Grundgerüst aus den Bausteinen Slam Poet*in, Text, Zeitlimit, Publikum und Wettbewerb lässt sich zu einer Menge, auch interdisziplinärer Veranstaltungsformate ausbauen. Vorhang auf für eine erste Auswahl der aufregendsten, reizvollsten Variationen des Erfolgrezepts Poetry Slam!
Jazz Slam
Man verbinde die beiden Zutaten Sprache und Musik, verrühre sie zu einem atmosphärischen Ganzen und erhalte ein Wunder! Indem Jazz-Musiker*innen und Slam Poet*innen wechselseitig miteinander improvisieren, werden die Texte wie von Zauberhand zu kleinen Kunstwerken, leise Lyrik erhält eine schimmernde Klangfacette, ein lauter Witz wird im Trillertakt erst recht zur Pointe. Meist erhält der*die Auftretende vor dem Auftritt kurz Zeit sich mit den Musikern*Musikerinnen abzusprechen, um sich gegenseitig auf die Grundstimmung einzugrooven, dann aber beginnt das magische Experiment, der Drahtseilakt auf Notenköpfen.
Dead-or-alive Slam
Totgeglaubte Dichter, ob Homer, Goethe oder Kaleko, wiederbeatmen? Im Rahmen der Kunst geht alles! Bei diesem Format müssen sich die altbewährten Klassiker allerdings gegen die sogenannten Schmuddelkinder der Literatur beweisen. Im Wettbewerb treten sich Schauspieler*innen in der Rolle der Toten und Slam Poeten*innen gegenüber. Um die Möglichkeiten der Theaterwelt auszuschöpfen, dürfen sich die Schauspieler*innen auch verkleiden und Requisiten verwenden. Da trifft dramatisch deklamiertes Pathos auf Rap-rhythmische Coolness, würdevolle Weisheit auf leise Liebeslyrik. Und alles hat Platz auf einer Bühne, wie wunderbar.
Themen Slam
«Wie kommst du auf deine Ideen?», ist wohl die meistgehörte Frage, die man als Schreiberling zu hören bekommt. Minimieren kann man sie auf Themen-Slams, da man mit dem Argument «Das Thema war vorgegeben» parieren kann. Und nicht nur das: Durch den Fokus auf ein zentrales Kernmotiv bietet der Themen-Slam oft Inspiration und gibt einem den Mut, auch mal etwas völlig Neues auszuprobieren. Nicht umsonst sind die besten Slamtexte oft aus solchen Abenden entstanden.
Den einen Themen-Slam gibt es allerdings nicht. Das Hauptmerkmal dieser Sparte ist es, dass die Wahl der Textthematik vom Veranstalter ausgeht – sei es für einen privaten Firmenauftritt, ein Vereinsjubiläum oder eine Benefizveranstaltung. Wenn du einen Text eigens für einen einzelnen Event schreibst, kannst du ohne schlechtes Gewissen mehr Gage für deine Arbeit verlangen, als bei einem gewöhnlichen Slam. Über Gagenverhandlungen hat Franziska Holzheimer hier schon mal was geschrieben.
Anti-Slam
Einmal Gegenteiltag und verkehrte Welt auf einmal? Die erste Regel des Anti-Slams ist: Es gibt keine Regeln. Poeten*innen treten auf, versuchen einen Text oder ähnliches so schlecht oder verrückt wie möglich zu präsentieren, die Zuschauer buhen, zeigen den Mittelfinger, bewerten mit Unendlichkeitszeichen, «–1000» oder einfach einem Fragezeichen auf den Jury-Tafeln. Am Ende gewinnt der*die Poet*in mit der schlechtesten Benotung. Anarchie!
Science-Slam
Manchmal kann man auf Slams wirklich etwas lernen – und zwar nicht nur den Geschmack verschiedener Whiskey-Sorten oder wie der Himmel um fünf Uhr morgens aussieht. Beim Science-Slam versuchen Wissenschaftler dem Publikum ihr Forschungswissen möglichst unterhaltsam und prägnant näherzubringen. Die Themen reichen dabei von der Geschichte des Fahrrads bis zur Biologie des Darms. Und im Vergleich zu gewöhnlichen Slams ist hier ein Requisit unentbehrlich erlaubt: die Powerpoint-Präsentation!
Deaf Slam / Visual Slam
Slam gibt es in praktisch allen Sprachen, also natürlich auch in der Gebärdensprache. Entweder besteht das Line-Up dabei gänzlich aus gebärdenden Slammern*innen oder aber der Wettbewerb setzt sich aus den beiden Teams Hörende und Nicht-Hörende zusammen. Die Auftritte werden dann jeweils in die andere Sprache simultanübersetzt. Faszinierend ist es, dabei Ähnlichkeiten und Unterschiede der Performances auszumachen. Was hier Wortspiele sind, sind dort Zeichenspiele, Metaphern werden zu in der Luft gezeichneten Bildern und aus dem Applaus wird eine kollektive, winkende Geste, ein bebendes Meer aus Händen.
Diese Liste beruft sich nicht auf Vollständigkeit und betrachtet sich bereits als Ankündigung einer Fortsetzung.